„Die Vertriebenen und Flüchtlinge sind als Brückenbauer zwischen Nationen und Kulturen unentbehrlich und zukunftsweisend für ein einiges Europa.“ Das sagte Innenminister Reinhold Gall in Geislingen beim 65. Bundestreffen der Südmährer.
Über sechs Jahrzehnte nach Ende des Krieges gehe es um den offenen, gleichberechtigten Dialog mit den östlichen Nachbarstaaten. Ziel sei, dass das gemeinsame Europa weiter zusammenwachse und die Grundlage für ein dauerhaft friedliches und gedeihliches Zusammenleben bilde.
Das Land Baden-Württemberg habe die Vertriebenen die ganzen Jahre nach Kräften unterstützt und tue dies bis heute. Gall zitierte Willy Brandt, der im April 1969 formuliert hat: „Ich möchte, dass die Pflege der ostdeutschen Kultur nicht eine Sache der Verbände und Landsmannschaften bleibt, sondern dass wir gemeinsam dafür sorgen, der ganzen Nation die kulturelle und geistige Substanz der Ostgebiete zu erhalten; nur so kann im Innern gewonnen werden, was draußen verloren ging.“ Baden-Württemberg unterstütze die Kulturarbeit der Vertriebenen aus Solidarität mit den vertriebenen Deutschen, die wegen ihrer Volkszugehörigkeit ein besonders schweres Kriegsfolgenschicksal erlitten hätten. „Wir tun dies aus Respekt vor ihrem persönlichen Schicksal, aber auch in Wertschätzung ihrer Lebensleistung und in Wertschätzung ihres Anteils am Wiederaufbau unseres Landes nach Kriegsende“, betonte Gall.
Aussöhnung mit Tschechien
Alle Sudetendeutschen und damit auch die Südmährer betreffe und beschäftige das Thema Aussöhnung mit Tschechien. Wo andere Nationen, aus denen Deutsche vertrieben worden seien, die Hand zur Versöhnung gereicht hätten, bedürfe es noch weiterer Fortschritte. Es habe viele Jahre Eiszeit geherrscht. Die Menschen hätten es verstanden, das Eis zu tauen, Brücken zu bilden und grenzüberschreitende Verbindungen zu pflegen. Auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern hätten sich dynamisch und positiv entwickelt. In der Politik habe die Eiszeit leider etwas länger angehalten.
„Da tat es gut und war überfällig, dass Ministerpräsident Petr Necas in einer Geste der Aussöhnung die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg bedauert und die gemeinsame Kultur beiderseits der Grenze hervorgehoben hat“, sagte der Innenminister. In einer Rede vor dem bayerischen Parlament im Februar diesen Jahres habe Necas gesagt: „Wir bedauern, dass durch die Vertreibung und zwangsweise Aussiedlung der Sudetendeutschen nach Kriegsende aus der ehemaligen Tschechoslowakei, die Enteignung und Ausbürgerung unzähligen Menschen viel Leid und Unrecht angetan wurde.“ Es sei bekannt, dass Petr Necas vor wenigen Wochen von seinem Amt zurückgetreten ist. Es bleibe zu hoffen, dass der Weg des gegenseitigen Verständnisses weiter Fortschritte mache.
60. Patenschaftsjubiläum
Hervorzuheben sei, dass in diesem Jahr David Vondracek von den Sudetendeutschen mit ihrem Menschenrechtspreis geehrt worden sei. Dessen mutige Filme hätten maßgeblich mit den Weg bereitet für eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der tschechischen und deutschen Völker. „Wir brauchen solche Wegbereiter und mutige Menschen“, betonte Innenminister Gall. Zum Abschluss gratuliere er den Südmährern und der Stadt Geislingen zum 60. Patenschaftsjubiläum und wünsche beiden Partnern noch viele weitere Jahre eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit.