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Verfassungsschutzbericht 2013 veröffentlicht

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Überwachungskamera vor einem Gebäude. Quelle: Fotolia.

„Der Bürgerkrieg in Syrien ist derzeit beherrschendes Thema und Aktionsfeld für Islamisten in Deutschland. Er übt die stärkste Anziehungskraft auf die Szene aus und trägt zur Radikalisierung weiterer Personen bei. Diese Entwicklung wird vom Landesamt für Verfassungsschutz genau beobachtet“, betonte Innenminister Reinhold Gall bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2013 gemeinsam mit der Präsidentin des Landesamtes Beate Bube.

Die Zahl islamistisch motivierter Ausreisen in Richtung Syrien wachse beständig. Bis Ende März 2014 seien über 320 Personen aus Deutschland in die Krisenregion ausgereist, davon etwa 15 aus Baden-Württemberg. Bei mehr als 20 Personen - darunter vier aus Baden-Württemberg - gebe es Hinweise darauf, dass sie in Syrien getötet worden seien.

Nicht alle Syrien-Reisenden beabsichtigten, sich am bewaffneten Kampf gegen das Assad-Regime zu beteiligen. Vielmehr sei ein beträchtlicher Teil von ihnen im Logistik-Bereich tätig und unterstütze etwa islamistische Gruppierungen oder die sunnitische Bevölkerung mit Hilfsleistungen. Der vermeintliche Erlebnischarakter und die mit einer Reise nach Syrien verbundene Euphorie der Szene machten den Bürgerkriegsschauplatz für Jihadisten sehr attraktiv. Dennoch scheine die Motivation der deutschen Kämpfer vor Ort seit Dezember 2013 nachzulassen. Unter anderem in Internetbeiträgen sei zunehmend Ernüchterung und Frustration erkennbar. Dabei spiele auch eine Rolle, dass einzelne Kämpfer inzwischen schwer verwundet oder sogar getötet worden seien. Diese Erfahrungen könnten in Einzelfällen Grund für eine Rückkehr nach Deutschland sein.

Es müsse nun damit gerechnet werden, dass einzelne Personen den einmal begonnenen Kampf mit der Waffe außerhalb Syriens fortsetzten; dies legten Erfahrungen mit heimgekehrten „Veteranen“ der Konflikte in Algerien und Afghanistan nahe. Ein Wiederaufgreifen des Feindbilds „Westen“ und damit auch „Deutschland“ sei zu erwarten. Solange sich keine wesentlichen Änderungen des Syrienkonflikts abzeichneten, hielten die Sicherheitsbehörden daher an der Einschätzung fest, dass von Rückkehrern, die über Kampferfahrung oder über eine entsprechende Ausbildung verfügten, eine erhöhte abstrakte Gefahr ausgehe. „Diese Entwicklung müssen wir weiterhin im Blick behalten“, hob der Innenminister hervor.

Derzeit betätigen sich im Land rund 550 Anhänger des Salafismus in insgesamt 16 Objekten und Vereinigungen. „Der Salafismus gilt sowohl in Deutschland als auch international als die derzeit dynamischste islamistische Bewegung“, erklärte der Minister. Seine wesentlichen Strömungen seien der politische Salafismus, dessen Vertreter eine intensive Missionierung betrieben und nach politischem Einfluss strebten, und der jihadistische Salafismus, dessen Anhänger eine unmittelbare und sofortige Gewaltanwendung propagierten.

Salafisten beriefen sich bei ihrem Tun ausschließlich auf den Koran. Ihrer Auslegung nach dürfe dieser nur im Licht der Sunna, der überlieferten Glaubenspraxis des Propheten Muhammad, interpretiert werden. Der so verstandene Islam stelle für sie eine für die gesamte Menschheit verbindliche Gesellschaftsform dar. Aufgrund seiner Überlegenheit und nach göttlichem Heilsplan müsse er der gesamten Menschheit zuteil und notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden.

Ein Teil der politisch-salafistischen Szene in der Bundesrepublik sei informell in einem aktionsorientierten deutschsprachigen Netzwerk organisiert. Die 40 Hauptakteure seien Prediger und Propagandisten, die zum Teil bundesweit agierten, sowie „Netzwerker“, die teilweise auch als lokale Funktionäre aufträten. Eine hierarchische, funktional ausdifferenzierte Organisation sei dabei nicht erkennbar.

Seit 2011 organisierten Personen dieses Netzwerks eine Koranverteilungs-Kampagne mit dem Titel „LIES! Im Namen deines Herrn, der dich erschaffen hat“. Bei den Verteilaktionen in Fußgängerzonen oder auf öffentlichen Plätzen träten regelmäßig auch Personen aus Baden-Württemberg in Erscheinung.

Am 23. März 2014 habe auf dem Mannheimer Marktplatz eine von Pierre Vogel initiierte Solidaritätsdemonstration für den zum damaligen Zeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt Mannheim inhaftierten salafistischen Prediger Sven Lau aus Mönchengladbach stattgefunden. Während und nach der Demonstration sei es wiederholt zu lautstarken Störungen und Provokationen sowie zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen. „Mit Sorge registrieren wir, dass auch in Baden-Württemberg der Salafismus immer neue Anhänger gewinnt. Deshalb werden wir diese Personengruppe genau beobachten“, kündigte Gall an.

Rechtsextremistische Gewalttaten leicht rückläufig - Gewaltpotenzial konstant hoch - Stagnation bei Anzahl der Konzerte

Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten im Land ist im Jahr 2013 von rund 1.900 auf rund 1.800 abermals gesunken. „Dies ist zwar erfreulich. Sorge bereitet mir aber, dass sich die Zahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten mit rund 610 weiterhin auf hohem Niveau bewegt“, stellte der Innenminister fest. Inzwischen sei jeder dritte Rechtsextremist in Baden-Württemberg dem gewaltorientierten Spektrum zuzuordnen, das sich aus subkulturell geprägten Rechtsextremisten - hauptsächlich Skinheads - und neonazistischen „Autonomen Nationalisten“ zusammensetze. Landesweit wurden im Jahresverlauf 35 rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten registriert, was einen leichten Rückgang bedeutet.

Eine potenzielle Quelle der Gewalt sei rechtsextremistische Skinheadmusik. 2013 waren in Baden-Württemberg neun rechtsextremistische Skinheadbands und vier einschlägige Vertriebe aktiv. Die Bands im Land veröffentlichten vier CDs und steuerten darüber hinaus Lieder zu einem Sampler bei. Die Zahl der rechtsextremistischen Skinheadkonzerte in Baden Württemberg lag 2013 wie im Vorjahr bei acht. Zwischen 2010 und 2012 war sie noch deutlich rückläufig gewesen, allerdings nahm die durchschnittliche Besucherzahl wieder auf rund 120 Personen zu.

2013 waren landesweit 30 rechtsextremistische Demonstrationen zu verzeichnen, was einen deutlichen Anstieg bedeutet. Dieses Anwachsen sei, so Minister Gall, auf Aktivitäten der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) und neonazistischer „Autonomer Nationalisten“ (AN) zurückzuführen.

Neue rechtsextremistische Parteien auch in Baden-Württemberg aktiv - Mitgliederzahlen von NPD und JN dagegen weiter rückläufig

Im August 2013 wurde in Karlsruhe der baden-württembergische Landesverband der Partei „DIE RECHTE“ gegründet. Die rechtsextremistische Kleinstpartei hat in Baden-Württemberg aktuell circa 30 Mitglieder. Der rechtsextremistische Charakter der Partei offenbare sich darin, dass teils regional, teils bundesweit bekannte Neonazis führende Funktionen in ihr ausübten. Als Wahlpartei sei „DIE RECHTE“ bislang kaum wahrnehmbar und ihre Kandidaten erfolglos. Zur Europawahl im Mai 2014 trat sie nicht an.

Eine weitere Parteigründung im rechtsextremistischen Spektrum erfolgte am 28. September 2013 in Heidelberg mit „DER DRITTE WEG“. Das Parteiprogramm enthalte klare Hinweise auf eine rechtsextremistische Ausrichtung. Einzelne Aspekte, insbesondere der Gründungsort Heidelberg, deuteten momentan auf einen südwestdeutschen Schwerpunkt der Partei hin. „Diese Entwicklung zeigt, dass es richtig ist, das rechtsextremistische Parteienspektrum weiterhin aufmerksam zu beobachten“, unterstrich Innenminister Gall.

Die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) war trotz personeller Einbußen auch 2013, wie schon seit Jahren, die mit Abstand mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei auf gesamtdeutscher Ebene und in Baden-Württemberg. Der baden-württembergische Landesverband zählt nicht zu den bedeutenden NPD-Gliederungen. Rund 70 seiner etwa 410 Mitglieder (2012: circa 440) gehörten 2013 der NPD-Jugend-organisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) an. Anders als bei der Mutterpartei hat der baden-württembergische JN-Landesverband innerhalb der Organisation durchaus bundesweite Bedeutung. 2013 habe er erneut seine Zusammenarbeit mit der Neonaziszene intensiviert, was sich in einer verstärkten Beteiligung von neonazistischen „Freien Kräften“ an JN-Aktionen und -Kampagnen äußere.

2013 sei die NPD vor allem im Bundestagswahlkampf im Land aktiv gewesen; im Rahmen ihrer „Deutschlandfahrt“ haben Veranstaltungen in 13 baden-württembergischen Städten stattgefunden. Am 3. Dezember 2013 hat der Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD eingereicht. „Wir hoffen, dass das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich sein wird, denn aus unserer Sicht ist die NPD eine eindeutig verfassungswidrige Partei“, hob der Innenminister hervor.

Zahl der linksextremistischen Straf- und Gewalttaten gestiegen

Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straf- und Gewalttaten ist 2013 sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene deutlich gestiegen. Bundesweit erhöhte sich die Zahl der Straftaten von 3.229 auf 4.491 und damit um 39 Prozent. In Baden-Württemberg fiel der Anstieg mit 24 Prozent von 385 auf 477 geringer aus. Die Anzahl der Gewalttaten stieg bundesweit von 876 auf 1.110, also um 26,7 Prozent. In Baden-Württemberg wurden 2013 insgesamt 126 Gewalttaten (2012: 65) erfasst. Dahinter sei aber kein politischer Trend zu vermuten. Der Anstieg sei primär auf Auseinandersetzungen beim Gebetszug der Piusbrüder in Freiburg am 5. April 2013 zurückzuführen. „Unabhängig davon stimmt mich die deutliche Zunahme gewaltbereiter Linksextremisten im Land von 680 auf 740 Personen nachdenklich“, bemerkte Gall.

Die Zunahme linksextremistisch motivierter Straftaten sei vor allem im Zusammenhang mit szenerelevanten Großereignissen, der Bundestagswahl und Gegenveranstaltungen zu Demonstrationen von Rechtsextremisten zu sehen. Am häufigsten seien auch 2013 Körperverletzung, Landfriedensbruch und Widerstandsdelikte registriert worden. Die Be- und Verhinderung von Wahlkampfveranstaltungen rechtsextremistischer oder auch rechtspopulistischer Parteien sei ein Schwerpunkt besonders der Antifa-Szene gewesen. Insgesamt sei eine gesteigerte Aggressivität gegenüber dem politischen Gegner von rechts festzustellen, zunehmend stehe jedoch auch die Polizei als Feindbild im Fokus gewaltbereiter Linksextremisten. „Diese Entwicklung erfüllt mich mit großer Sorge. Sie macht deutlich, dass wir auch diesen Bereich nicht vernachlässigen dürfen“, so der Innenminister.

„Antifaschistische“ Gewalttaten bei Demonstrationen

Zu Demonstrationen gegen die alljährliche rechtsextremistische „Mahnwache“ am 23. Februar in Pforzheim reisten 2013 über 400 gewaltbereite Linksextremisten an. An verschiedenen Orten in der Stadt kam es zu Versuchen, polizeiliche Absperrungen zu überwinden. Dabei wurden Polizeibeamte unter anderem mit Steinen, Flaschen, Holzbrettern und Feuerwerkskörpern angegriffen. In diesem Jahr kam es bei den Protesten gegen die „Mahnwache“ zwar erneut zu Ausschreitungen; insgesamt sei es jedoch deutlich ruhiger geblieben als 2013.

In Göppingen kam es am 12. Oktober 2013 anlässlich des angekündigten „Nazi-Aufmarsches“ erneut zu Zusammenstößen von Linksextremisten mit der Polizei. Unter den circa 1.000 Gegendemonstranten befanden sich etwa 500 gewaltbereite Linksextremisten. Um die Anreise der Rechtsextremisten zu verhindern, blockierten circa 500 Personen die Bahngleise. Während des Aufzugs selbst kam es mehrfach zu Ausschreitungen gegen Einsatzkräfte. Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Über 500 mutmaßliche gewaltorientierte Linksextremisten wurden in Gewahrsam genommen, es kam zu drei vorläufigen Festnahmen. Sieben Einsatzkräfte und neun Gegendemonstranten wurden verletzt. Bereits im Vorfeld der Göppinger Ereignisse war es zu einer Morddrohung gegen Rechtsextremisten gekommen.

Spionageabwehr aktiv - Versuchte Umweglieferung von „Dual-Use-Gütern“ in den Iran

Durch die intensiv geführte Diskussion über die Abhörpraxis durch Nachrichtendienste der USA und Großbritannien ist auch die baden-württembergische Wirtschaft für Spionageangriffe eigener Mitarbeiter, fremder Unternehmen und ausländischer Staaten sensibilisiert worden. 2013 nutzten rund 600 Unternehmen das Betreuungs- und Beratungsangebot des LfV-Fachbereichs Wirtschaftsschutz. In 140 Fällen wurden umfassende Sensibilisierungsgespräche und konkrete Einzelfallberatungen durchgeführt.

Hoch innovative Firmen in Baden-Württemberg sehen sich insbesondere Attacken aus China ausgesetzt. Beispielsweise hatte für ein hiesiges Unternehmen nicht nur die Rückkehr eines leitenden chinesischen Angestellten nach China fatale Folgen. Über Jahre hinweg wurden aus dem internen Firmennetzwerk kontinuierlich neu entwickelte technische Konstruktionspläne und Patente einem chinesischen Konkurrenten zugespielt und von diesem optimiert und den Bedürfnissen vor Ort angepasst. Erst bei der Patentanmeldung wurde die Leitung des geschädigten Unternehmens auf den Abfluss von Knowhow aufmerksam.

Intensive Sensibilisierungsmaßnahmen der Spionageabwehr hätten 2013 auch die Anbahnung und Realisierung einer Umweglieferung in den Iran verhindert. Betroffen gewesen sei ein baden-württembergisches High-Tech-Unternehmen. Dieses habe dazu animiert werden sollen, ein technisch anspruchsvolles Produkt in den Iran zu verkaufen. Die Kontaktaufnahme sei über eine Anfrage per E-Mail aus dem Iran erfolgt. Aufgrund bestehender Exportbeschränkungen sei das Ansinnen sofort abgelehnt worden. Damit habe der Auftraggeber offensichtlich schon gerechnet und bereits in der Anfrage vorgeschlagen, die Kaufsumme aus Deutschland anzuweisen. Umgehend habe der iranische Kunde angeboten, die verbotene Lieferung über ein Bargeschäft abzuwickeln, um sie als Inlandsgeschäft zu tarnen. Darüber hinaus sei angeboten worden, die Lieferung über ein Drittland-Unternehmen abzuwickeln. Damit wäre der iranische Firmenname des Kunden nicht in den offiziellen Frachtpapieren verzeichnet und als verbotenes Iran-Geschäft erkennbar gewesen.

Die Ablehnung des Irangeschäfts dürfte auf das kurz zuvor durchgeführte Sensibilisierungsgespräch der Spionageabwehr mit dem verantwortlichen Exportleiter zurückzuführen sein. Er hatte zuvor die Broschüre „Proliferation - Wir haben Verantwortung“ erhalten, die unter anderem eine Checkliste mit Anhaltspunkten für proliferationsrelevante Geschäfte enthält. Die neu überarbeitete Broschüre kann beim Landesamt für Verfassungsschutz angefordert werden.

Am 8. Oktober 2013 verurteilte die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim den Deutsch-Iraner Mahmood E. wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Dieser hatte über einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren Dual-Use-Güter wie Signalgeneratoren, Magnetometer oder Mikrowellen-Richtantennen unter Umgehung von Embargos und Sanktionen in die Islamische Republik Iran gebracht. Mit gefälschten Dokumenten täuschte er auch in Baden-Württemberg ansässige Banken über die wahren Hintergründe seiner Geschäfte.

Dass auch ausländische Geheimdienste sich nach wie vor in Baden-Württemberg tummeln, belegt die Verurteilung eines Ehepaars durch das Oberlandesgericht Stuttgart vom 2. Juli 2013 zu mehrjährigen Freiheitsstrafen in einem besonders schweren Fall. Die beiden hatten 23 Jahre lang unter Nutzung österreichischer Falschidentitäten in Deutschland erst für den sowjetischen KGB und später für den russischen Auslandsnachrichtendienst SWR umfangreiche Aktivitäten entfaltet und erlangten über eine Quelle im Innenministerium der Niederlande mehrere hundert vertrauliche Dokumente mit UN-, EU- und NATO-Bezug.

Ausländerextremismus - „Arbeiterpartei Kurdistans“ PKK

Die Anhänger der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) machten weiterhin die Türkei und Frankreich für die Ermordung von drei kurdischen Aktivistinnen am 9. Januar 2013 in Paris verantwortlich. Der Verdacht, dass ein türkischer Geheimdienst Auftraggeber für diese Morde gewesen sein könnte, habe neue Nahrung erhalten, als zu Beginn des Jahres 2014 eine einschlägige Tonaufnahme des einzigen Tatverdächtigen in sozialen Netzwerken auftauchte. Die Authentizität der Aufnahme könne derzeit jedoch noch nicht abschließend bewertet werden. Anlässlich des Jahrestags der Morde von Paris fanden auch Protestaktionen in Mannheim, Freiburg und Stuttgart statt. Diese vorwiegend von den örtlichen PKK-nahen Vereinen organisierten Veranstaltungen, an denen jeweils zwischen circa 200 und 300 Personen teilnahmen, verliefen friedlich und störungsfrei.

Dennoch sei die Gewaltbereitschaft der PKK-Anhänger in Deutschland insgesamt gestiegen. Gründe hierfür seien zum einen die fortgesetzt angespannte Lage in den kurdischen Gebieten nach den türkischen Kommunalwahlen am 30. März 2014 und zum anderen der ungewisse Fortgang des aktuellen „Friedensprozesses“. Dabei beschränke sich die Gewalt nicht nur auf Auseinandersetzungen mit nationalistischen Türken, sondern sie richte sich - wie etwa jüngst bei einer Demonstration in Duisburg - auch direkt gegen Polizeibeamte. Nach wie vor verfolge die PKK, die auf Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 2. April 2004 in die Liste terroristischer Organisationen aufgenommen wurde, die Strategie, in Europa weitgehend friedlich zu agieren. Trotz der aktuellen Ausschreitungen in Duisburg sei bisher grundsätzlich keine Abkehr von dieser Strategie zu beobachten.

ADÜTDF/“Ülkücü-Bewegung“

Der Höhepunkt für die türkisch-nationalistisch ausgerichtete „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V.“ (ADÜTDF) im Jahr 2013 war ihr 28. bundesweiter Kongress, der am 16. November 2013 in Oberhausen stattfand. Gut 12.000 Personen nahmen daran teil. Aus Baden-Württemberg reisten mehrere hundert Personen an. Mit circa 2.100 Anhängern in rund 40 Ortsvereinen ist die Organisation - unter Jugendlichen ist auch die Selbstbezeichnung „Bozkurtlar“ („Graue Wölfe“) verbreitet - in Baden-Württemberg stark vertreten. Hier finden auf Gebiets- beziehungsweise Vereinsebene regelmäßig interne Veranstaltungen statt, beispielsweise anlässlich des Todestags des Gründers der „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) Alparslan Türkes, oder Jugendseminare zu ausgewählten Themen.

Zur türkisch-nationalistischen „Ülkücü-Bewegung“ (Bewegung der „Idealisten“) gehört neben dem organisierten auch ein nichtorganisierter Bereich. Dieses Milieu bedient sich der Symbolik und des Gedankenguts der „Nationalistischen Bewegung“. Es setzt sich vorwiegend aus Jugendlichen zusammen, die durch verbale Aggressivität und Radikalität auffallen und eine gesteigerte Gewalt- beziehungsweise Waffenaffinität aufweisen. Vor allem soziale Netzwerke im Internet bieten diesen Jugendlichen eine Plattform, auf der sie sich über Musikvideos artikulieren. Darin wird in Texten und Bildern das Türkentum verherrlicht. Darüber hinaus werden Beleidigungen bis hin zu Drohungen geäußert, vorwiegend gegen Kurden und PKK-Anhänger.

Scientology-Organisation in Stuttgart am Zug

„Keine Entwarnung kann auch im Hinblick auf die „Scientology-Organisation“ (SO) gegeben werden, die nach wie vor ihre antidemokratischen Ziele verfolgt“, merkte Innenminister Gall an. Sie wolle unter dem Begriff „Neue Zivilisation“ gefügige Menschen und eine totalitäre Ordnung schaffen. Nach außen pflege sie die Fassade einer harmlosen Gruppe und schmücke sich mit Unterorganisationen, die wohlklingende Namen wie etwa „Jugend für Menschenrechte“ trügen.

„In Baden-Württemberg haben die Aktivitäten der SO im Jahr 2013 deutlich zugenommen. Scientology hat hier einen ihrer Schwerpunkte in Deutschland und das dichteste Netzwerk von Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet“, erklärte Gall. Das Land sei wegen seiner wirtschaftlichen Stärke aus Sicht der SO ein wichtiger Standort. Es überrasche daher nicht, dass Scientology im Raum Stuttgart immer noch in der Lage sei, bei ihrer Anhängerschaft beträchtliche Geldsummen einzuwerben. Die Einnahmen sollen sich in einer Höhe von etwa einer Million Euro pro Jahr bewegen. Die SO verfüge international über eine enorme finanzielle Schlagkraft. Ehemalige Funktionäre bezifferten die weltweiten Finanzreserven auf drei Milliarden US-Dollar.

In Stuttgart wolle die Organisation weiterhin eine neue Repräsentanz eröffnen und zum größten SO-Zentrum in Deutschland ausbauen. In diesem Zusammenhang sei bekannt geworden, dass eine Firma aus dem Ausland in Stuttgart für acht Millionen Euro aus privater Hand eine Immobilie erworben habe, die als neue Scientology-Repräsentanz vorgesehen sei.

Besonderes Augenmerk müsse auch auf die Aktivitäten der SO in der Wirtschaft gelegt werden. Berater ihres Wirtschaftsverbandes „WISE“ würden oft verdeckt auftreten und wollten Scientology in der Wirtschaft verbreiten. Auch der Jugendschutz sei nach wie vor von Bedeutung. Das Internet sei zum zentralen Werbemedium von Scientology geworden. Besonders Jugendliche sollten mit vielfältigen, geschickt aufgezogenen Scheinangeboten direkt am Rechner zuhause erreicht werden.

Scientology habe wegen der anhaltend kritischen Öffentlichkeit inzwischen große Probleme bei der Mitgliederwerbung. Vielleicht gehe sie gerade deshalb mit Kritikern nicht zimperlich um und scheue auch nicht vor Ausspähungen zurück. „Das Landesamt für Verfassungsschutz wird auch weiterhin den Umgang der SO mit ihren Kritikern besonders beobachten und den verstärkten Expansionsbestrebungen mit Aufklärung offensiv entgegentreten“, zeigte sich der Minister entschlossen.

Prävention durch Information

„Die umfangreiche Aufklärungsarbeit des Landesamts für Verfassungsschutz im Bereich Rechtsextremismus ist nach der Aufdeckung der mutmaßlichen Taten des rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) intensiviert worden. Innerhalb des Landesamts konnte dieser Bereich 2013 personell weiter ausgebaut werden. Darüber hinaus werden auch zu Themen aus den Bereichen Islamistischer Extremismus, Ausländerextremismus, Linksextremismus und Scientology Vorträge und Informationsveranstaltungen angeboten“, unterstrich der Innenminister.

Zur Zielgruppe gehörten sowohl staatliche Einrichtungen, etwa kommunale Behörden, als auch zivilgesellschaftliche Akteure sowie die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Für Unternehmen in Baden-Württemberg stünden die Mitarbeiter des Fachbereichs Wirtschaftsschutz des Landesamts auch weiterhin für Vorträge und direkte Beratungsgespräche zur Verfügung. Das gesamte Vortrags- und Informationsangebot sowie die Arbeit des Landesamts würden seit Mai in einem eigenen Faltblatt vorgestellt, das auch im Internet heruntergeladen und bestellt werden könne.

Verfassungsschutzbericht 2013 (PDF)

Homepage des Landesamtes für Verfassungsschutz mit Hintergrundinformationen

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