Land und Kommunen einigen sich auf eine Doppelstrategie zur erfolgreichen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Bis Ende 2022 verpflichtet das OZG Bund, Länder und Kommunen, ihre jeweiligen Verwaltungsleistungen auch online über Verwaltungsportale anzubieten.
„Bei dieser Herausforderung lassen wir in Baden-Württemberg unsere Kommunen nicht allein, wir stemmen das gemeinsam – und dazu noch ziemlich erfolgreich! Mit der Doppelstrategie ermöglichen wir eine Digitalisierung mit Augenmaß – und zugleich mit mehreren Geschwindigkeiten. Wir schaffen damit als Spitzenreiter in Deutschland bereits jetzt konkrete Erfolgserlebnisse, die begeistern“, betonte der Stv. Ministerpräsident und Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Thomas Strobl.
Das Land Baden-Württemberg, die drei Kommunalen Spitzenverbände und die beiden zentralen IT-Dienstleister Komm.ONE und BITBW haben bereits in den vergangenen Wochen die Eckpunkte für eine Doppelstrategie zur erfolgreichen Umsetzung des OZG fixiert und nun gemeinsam verabschiedet. Gemeinsames Ziel ist es, die digital gestellten Anträge der Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen durchgängig medienbruchfrei mit den jeweiligen Verwaltungsfachverfahren zu verknüpfen und mit einer elektronischen Bezahlfunktion zu versehen, um so ein echtes E-Government zum Nutzen aller zu gewährleisten.
Auf Basis des vom Land bereits eingeführten Universalprozesses können in kürzester Zeit mehrere hundert „einfache“ Verwaltungsleistungen rechtssicher digital angeboten werden, die oft nur wenige Prüfschritte beinhalten und in der Regel keine Anbindung an komplexe Fachverfahren voraussetzen. Parallel prüfen die Partner derzeit auf technischer Ebene, inwieweit der Universalprozess sich auch für die Nutzung bei komplexeren Verwaltungsdienstleistungen eignet oder als Basis für die schnelle Entwicklung von nutzerorientierten Standardprozessen dienen kann. Ziel ist in allen Fällen eine Ende-zu-Ende-Verarbeitung mit Anbindung an eine elektronische Bezahlmöglichkeit.
Für die verbleibenden Verwaltungsdienstleistungen mit vielen einzelnen Verfahrensschritten und unterschiedlichen Prozessbeteiligten, für die der Universalprozess weder in der einen, noch in der anderen Form genutzt werden kann, ist weiterhin die gemeinsame Entwicklung von sogenannten Standardprozessen vorgesehen. Dabei wird der Verwaltungsprozess vor der Digitalisierung grundlegend überarbeitet und möglichst auf wenige Verfahrensschritte gestrafft.
Die Doppelstrategie gemeinsam vorantreiben
Die in enger und partnerschaftlicher Zusammenarbeit verfolgte Doppelstrategie soll nach dem Wunsch aller Beteiligten über die rechtlich notwendige Bereitstellung von Online-Leistungen hinaus mit der Möglichkeit zur Online-Transaktion den maximalen Nutzen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen schaffen und gleichzeitig die schnelle durchgängige Digitalisierung der baden-württembergischen Verwaltung voranbringen. Sie bildet somit einen Meilenstein und einen Innovationsschub auf dem Weg zur durchgängigen Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, der die Bündelung aller Kräfte erfordert.
Entsprechend sind sich das Land, die drei Kommunalen Spitzenverbände und die beiden IT-Dienstleister Komm.ONE und BITBW darüber einig, den mit der Doppelstrategie beschriebenen Weg gemeinsam und energisch voranzutreiben.
„Der Städtetag sieht im Universalprozess eine große Chance, mit der Digitalisierung der Rathäuser schnell voranzukommen. Einige Mitgliedstädte haben in den vergangenen Monaten die Chance genutzt, ungeduldig und kreativ zugleich, um für einfache Verwaltungsdienstleistungen das digitale Rathaus erlebbar zu machen. Genauso wichtig, aber komplexer ist es, manch einen gewachsenen Verwaltungsprozess neu zu denken, zu vereinfachen und durchgängig digital verfügbar zu machen. Beides rückt nun in greifbare Nähe. Der alte Spruch „Das haben wir ja noch nie so gemacht“ zählt schon lange nicht mehr“, sagte Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg.
Prof. Dr. Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg ist überzeugt: „Wir müssen die Corona-Krise beherzt als Chance für die Digitalisierung der Verwaltung nutzen. Denn die letzten Monate haben zum einen unbarmherzig bestehende Digitalisierungsdefizite offengelegt. Zum anderen macht Not erfinderisch, sodass wir in der öffentlichen Verwaltung einen digitalen Innovationsschub sondergleichen beobachten konnten. Wir begrüßen es daher sehr, dass sich Land, Kommunen und der kommunale IT-Dienstleister KOMM.ONE in bewährter Partnerschaft darauf verständigt haben, die entstandene, neue Dynamik zu nutzen. Aus Sicht der Landkreise ist entscheidend, dass die Digitalisierung der Verwaltung ganzheitlich gedacht wird, der Bürger seine Anträge also nicht nur elektronisch einreichen, sondern die Verwaltung sie auch medienbruchfrei digital verarbeiten kann. Nur so gelingt die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung.“
Steffen Jäger, Erster Beigeordneter des Gemeindetags Baden-Württemberg erklärte: „Mit dem Onlinezugangsgesetz stehen die Verwaltungen in Bund, Land und Kommunen vor einer herausfordernden Aufgabe. Es freut uns daher sehr, dass wir in Baden-Württemberg einen Weg gefunden haben, über die bereits bestehende und konstruktive Zusammenarbeit mit Land und der Komm.ONE hinaus, weitere Entwicklungen voranzutreiben, die so vor wenigen Monaten noch nicht absehbar waren. Die Ergänzung des bisherigen Vorgehens um den Universalprozess ermöglicht uns eine effizientere Umsetzung des Onlinezugangsgesetztes bis Ende 2022, ohne dabei von unserem Ziel einer vollständigen Ende-zu-Ende-Digitalisierung abzuweichen. Eine entsprechende Fortschreibung der E-Government-Vereinbarung zwischen dem Land und den Kommunalen Landesverbänden ist uns daher ein großes Anliegen.
Christian Leinert, Präsident IT Baden-Württemberg (BITBW): „Durch den Universalprozess ist das von uns technisch betriebene Serviceportal Baden-Württemberg („service-bw“) von einer Informationsplattform zu einem Servicetool für digitale Verwaltungsleistungen geworden. Ich freue mich über dieses gelungene gemeinsame Projekt.“
„Als kommunale IT-Dienstleisterin in Baden-Württemberg ist die medienbruchfreie Bereitstellung und Abwicklung von Verwaltungsdienstleistungen für uns nicht nur die konsequente Umsetzung der letzten OZG-Stufe für eine echte Digitalisierung der Verwaltung, sondern auch ein ganz zentraler Bestandteil für die Sicherung der digitalen Souveränität unserer Gesellschaft. Die vereinbarte Doppelstrategie ist hierfür der richtige Weg und wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen“, so William Schmitt, Vorstandsvorsitzender der Komm.ONE AöR.
Auf dem besten Weg zum E-Government für alle
Die Bereitstellung der Online-Verwaltungsdienstleistungen erfolgt auf der zentralen Serviceplattform www.service-bw.de, die einen unverzichtbaren Bestandteil der Doppelstrategie bildet und die von jeder Kommune in Baden-Württemberg kostenfrei genutzt werden kann. Behörden können über service-bw ihre Bescheide verschicken und online Rückmeldungen erhalten. In der Vergangenheit wurden die Infrastruktur und die Rahmenbedingungen geschaffen, um die hohen Anforderungen, die das OZG an die zu digitalisierenden Verwaltungsleistungen stellt, auf Basis von service-bw erfolgreich umzusetzen. Dazu zählt beispielsweise der Abschluss einer E-Government-Vereinbarung zwischen dem Land und den drei Kommunalen Landesverbänden sowie die Bereitstellung der notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen.
Auf Grundlage der vereinbarten Doppelstrategie wird Baden-Württemberg, im Unterschied zu den anderen Bundesländern, das OZG bereits deutlich vor der gesetzten Frist erfüllen können. Innen- und Digitalisierungsminister Thomas Strobl erklärte: „Mit der neuen Doppelstrategie bringen wir die Digitalisierung unserer Verwaltung nachhaltig voran und damit auch unmittelbar zu den Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen im Land. Wo nötig, können wir selbst komplexeste Prozesse zielgerichtet gestalten und zeitgleich weniger anspruchsvolle Verwaltungsleistungen gemeinsam mit den Kommunen binnen kürzester Zeit aufs digitale Gleis setzen. Unser Ziel ist E-Government für alle – mit der vereinbarten Doppelstrategie sind wir auf dem besten Weg!“
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Vereinbarte Eckpunkte
Vereinbarte Eckpunkte für die Doppelstrategie zur erfolgreichen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in Baden-Württemberg:
Ziele:
- Für die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen Baden-Württembergs wird die digitale Antragstellung für möglichst alle Verwaltungsdienstleistungen kurzfristig ermöglicht. Bei Verwaltungsprozessen, die in komplexe Fachverfahren eingebettet sind, wird eine medienbruchfreie Überleitung in diese Fachverfahren gewährleistet.
- Für die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen wird das elektronische Bezahlen bei jedem Verwaltungsprozess ermöglicht.
Strategie Lösungsbausteine:
- Universalprozess (nominiert als bestes Projekt zur Umsetzung des OZG für den eGovernment-Wettbewerb):
Für einfache Verwaltungsleistungen, die nicht in komplexe Verwaltungsfachverfahren münden, werden in einem schlanken Digitalisierungsverfahren die elektronische Antragstellung und bei Bedarf auch das elektronische Verfahren ermöglicht.
Aktuell haben bereits mehr als 100 Kommunen in Baden-Württemberg mit Hilfe des Universalprozesses bis zu mehreren hundert ihrer Verwaltungsleistungen digitalisiert, darunter z.B. Ulm (Führerscheinumtausch, Jagdscheinbeantragung), Heilbronn (Wohnsitzabmeldung) und Waiblingen (Bauvorbescheid, Kinderreisepassantrag). Aktuell wird auch geprüft, inwieweit der Universalprozess für die Nutzung bei komplexeren Verwaltungsfachverfahren und als Ausgangsbasis für die schnellere Entwicklung von Standardprozessen geeignet ist.
- Standardprozess:
Komplexe Verwaltungsdienstleistungen werden Ende-zu-Ende digitalisiert. Dafür sollen die Nutzer der Leistungen in die Gestaltung der Prozesse intensiv einbezogen werden.
Mit den ersten Online-Verwaltungsleistungen (u.a. Ausstellung einer Wohnungsgeberbescheinigung, Beantragung einer Meldebescheinigung oder Plakatierungserlaubnis) wurden bereits wertvolle Erfahrungen und Grundlagen geschaffen, wie komplexe Verwaltungsprozesse standardisiert, digitalisiert und online verfügbar gemacht werden können. Weitere komplexe Prozesse wie zum Beispiel die Hilfe zum Lebensunterhalt oder die Grundsicherung werden aktuell erarbeitet.