Die Landesregierung will junge Menschen frühzeitig in demokratische Entscheidungsprozesse einbeziehen. Daher soll jetzt das Mindestalter für das aktive Wahlrecht auf kommunaler Ebene von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. „Jugendliche erhalten künftig mit Vollendung des 16. Lebensjahres das Bürgerrecht in der Gemeinde und können damit wesentlich mehr Einfluss auf die Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfelds nehmen“, betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Stuttgart. Das Kabinett hatte zuvor einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung kommunalwahlrechtlicher und gemeindehaushaltsrechtlicher Vorschriften zur Anhörung frei gegeben. Die in diesem ersten kommunalrechtlichen Gesetzentwurf geplanten Änderungen sollen bereits für die Kommunalwahl 2014 gelten und müssen daher rechtzeitig zur Aufstellung der Kandidatenlisten im kommenden Jahr in Kraft treten.
Über das aktive Wahlrecht bei Gemeinderats-, Kreistags- und Bürgermeisterwahlen hinaus sollen Jugendliche ab 16 Jahre weitere Beteiligungsmöglichkeiten bei Bürgerbegehren, Bürgerentscheiden und Bürgerversammlungen erhalten. Die Wahl in den Gemeinde- oder Ortschaftsrat komme allerdings nicht in Betracht, da das passive Wahlrecht weiterhin erst ab Vollendung des 18. Lebensjahres gewährt werde, erklärte Minister Gall. Beim Verband Region Stuttgart erhielten die 16- und 17-Jährigen das Recht, die Mitglieder der Verbandsversammlung zu wählen.
Bei der Reform soll überdies das Berechnungsverfahren für die Sitzverteilung in den kommunalen Gremien neu geregelt und deshalb vom d´Hondtschen auf das Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers umgestellt werden.
„Grundsätzlich muss bei einer Wahl jede Stimme den gleichen Einfluss auf die Sitzverteilung im Gemeinderat oder im Kreistag haben“, betonte Innenminister Gall. Bisher sei es aber bei der Umrechnung von Wählerstimmen in Mandate zu erheblichen Ungenauigkeiten gekommen, die im Ergebnis die kleineren Parteien oder Wählervereinigungen regelmäßig benachteiligt hätten. Gall: „Das Auszählverfahren nach d´Hondt wird daher in Bund und Ländern zunehmend ausgemustert. Bei der Sitzzuteilung nach Sainte-Laguë/Schepers geht es gerechter zu.“
Daneben wird die Möglichkeit, bei Kreistagswahlen in zwei Wahlkreisen zu kandidieren, wieder abgeschafft. Die Organisation und Durchführung von Kommunalwahlen wird nach Anregungen aus der kommunalen Praxis vereinfacht. Nicht zuletzt sollen die Erfahrungen der Kommunen bei der Umstellung auf das neue kommunale Haushalts- und Rechnungswesen (Doppik) untersucht und, flankiert von einer längeren Übergangsfrist, in die Umsetzung einbezogen werden.
Die Landesregierung hat in ihrem Entwurf noch auf eine gesetzliche Regelung zur paritätischen Besetzung von Kommunalwahllisten verzichtet. „In dem Ziel, mehr Frauen für ein kommunalpolitisches Engagement zu gewinnen, sind wir uns alle einig“, versicherten Ministerpräsident Kretschmann und Innenminister Gall. Nur über den Weg dahin werde noch diskutiert. Wenn das von der SPD-Landtagsfraktion in Auftrag gegebene Gutachten vorliege, werde im weiteren Gesetzgebungsverfahren nach einer verfassungskonformen Lösung gesucht.