Kriminalität

Bilanz zur politisch motivierten Kriminalität 2013

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Im Vergleich der vergangenen fünf Jahre ist die politisch motivierte Kriminalität im Land 2013 auf einen neuen Tiefstand gesunken. Die Zahl der erfassten Straftaten verringerte sich gegenüber dem Vorjahr um 2,1 Prozent auf 2.061, was vor allem auf den Rückgang bei der Politisch motivierten Kriminalität - Rechts zurückzuführen ist.

„Diese Entwicklung werte ich positiv, gleichwohl dürfen wir bei der präventiven wie repressiven Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität und des Extremismus nicht nachlassen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht allein die der Sicherheitsbehörden im Land“, betonte Innenminister Reinhold Gall.

Dagegen seien speziell die politisch motivierten Gewaltdelikte (vor allem Körperverletzung) um 9,8 Prozent auf 212 Fälle angestiegen. Ausschlaggebend hierfür sei der erhebliche Anstieg linksmotivierter Gewaltdelikte um über 100 Prozent auf 138 Fälle. Allerdings stünden allein 55 dieser Gewalttaten im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen bei der Demonstration gegen den Gebetszug der Piusbruderschaft am 5. April 2013 in Freiburg, insbesondere Widerstand gegen Polizeibeamte. Demnach sei nicht von einer anhaltenden negativen Entwicklung in Baden-Württemberg auszugehen.

Die Aufklärungsquote bei den Politisch motivierten Straftaten liege zwar über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre, sei im Vergleich zum Vorjahr aber von 41,6 auf 38,4 Prozent gesunken. Bei den Gewaltdelikten betrage die Aufklärungsquote beachtliche 65,6 Prozent, wenn auch ein Rückgang von neun Prozentpunkten zu verzeichnen war. Durch die im Zuge der Polizeistrukturreform erfolgte Bündelung hat Baden-Württem-berg seit Beginn dieses Jahres flächendeckend bei den Kriminalpolizeidirektionen der regionalen Polizeipräsidien eigene Kriminalinspektionen für Staatsschutz (K6). „Politisch motivierte Straftäter werden daher noch genauer ins Visier genommen“, kündigte der Minister an.

Als erfreulich bezeichnete Gall den deutlichen Rückgang der Politisch motivierten Kriminalität - Rechts um 16,8 Prozent auf 925 Delikte. Davon entfalle mit 629 Delikten ein Großteil auf Propagandadelikte wie Hakenkreuzschmierereien oder das Zeigen des Hitlergrußes, das nach § 86a StGB strafbar ist. Entgegen den bundesweiten Entwicklungen sei auch bei den fremdenfeindlichen Straftaten ein Rückgang um 12,6 Prozent auf 222 Fälle festzustellen, bei den antisemitischen Delikten um 17 auf 74 Delikte und den rechtsmotivierten Gewaltdelikten (vor allem Körperverletzung) von 40 auf 37 Fälle.

„Auf dem Rückgang der rechtsmotivierten Straftaten dürfen wir uns nicht ausruhen. Durch konsequente Strafverfolgung und unablässige Ansprachen lassen wir der rechten Szene keine Verschnaufpause“, unterstrich Innenminister Gall. Als aktuelles Beispiel führte er die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des Landeskriminalamts Baden-Württemberg wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB vorgenommenen Durchsuchungen bei mutmaßlichen Mitgliedern der Autonomen Nationalisten Göppingen und den Festnahmen von vier Rädelsführern im Februar 2014 an. Diese Aktionen hätten die örtliche rechtsextremistische Szene nachhaltig verunsichert.

Ebenfalls zur Verunsicherung trügen die Ansprachen von Mitgliedern der rechten Szene durch die Polizei im Rahmen des Aussteigerprogramms bei. Seit 2001 seien über 2.400 Personen zumindest einmal auf einen möglichen Ausstieg sowie das professionelle Beratungs- und Unterstützungsangebot des Landeskriminalamts Baden-Württemberg hingewiesen worden. Bislang seien 526 Personen (2013: 55) aus der rechten Szene ausgestiegen. Die 2012 erfolgte personelle Verstärkung der beim Landeskriminalamt eingerichteten Beratungs- und Interventionsgruppe (BIG Rex) sei auf Grund der positiven Erfahrungen beibehalten worden.

Als wertvolles Instrument erweise sich auch das anonyme Aufnahmesystem im Internet für Hinweise auf potenzielle rechtsmotivierte Gewalttaten oder Gewalttäter. Über dieses im September 2012 eingeführte System seien 2013 rund 170 sachdienliche Hinweise eingegangen.

Der Minister stellte fest: „Dies zeigt, dass die schon im Koalitionsvertrag festgelegte Intensivierung der Rechtsextremismusbekämpfung richtig und wichtig war“, und forderte weiter: „Nun müssen wir alles daran setzen, für die Sicherheitsbehörden weiterhin die richtigen Lehren aus den Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds zu ziehen.“ Schon seit geraumer Zeit befasse sich das Innenministerium mit der fachlichen Prüfung und Umsetzung der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses des Bundestags und der Bund-Länder-Expertenkommission Rechtsterrorismus. So seien etwa bei der baden-württembergischen Polizei die landesweit gültigen Standards für Sonderkommissionen der Kripo bei Kapitaldelikten fortgeschrieben und umgesetzt worden.

Auch von der Enquetekommission des Landtags zum Thema Rechtsextremismus verspricht sich der Innenminister wertvolle gesamtgesellschaftliche Impulse. Er sei im Übrigen überzeugt, dass die Arbeit der von ihm im Januar 2013 angestoßenen Ermittlungsgruppe Umfeld beim Landeskriminalamt eine umfassende und bundesweit vorzeigbare Grundlage für das Parlament zur Aufhellung von Bezügen des Nationalsozialistischen Untergrunds nach Baden-Württemberg geliefert habe.

Entgegen der Entwicklung bei den rechtsmotivierten Straftaten sei ein deutlicher Anstieg im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität - Links um 26,7 Prozent auf 569 Fälle zu verzeichnen. Dabei hätten sich die Gewaltdelikte von 66 auf 138 Fälle mehr als verdoppelt. Der Anstieg sei aber vor allem auf Ausschreitungen bei der Demo gegen den Gebetszug der Piusbruderschaft in Freiburg zurückzuführen. „Mir fehlt jegliches Verständnis für Menschen, die Gewalt als legitimes Mittel gegen Andersdenkende insbesondere unter dem vermeintlichen Schutz des Versammlungsrechts ansehen oder einsetzen. Alles, was über faire Debatten und rechtsstaatliche Mittel hinausgeht, hat in einer modernen Demokratie keinen Platz“, mahnte der Minister.

Dem entgegen habe sich im Bereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität die Zahl der Straftaten 2013 auf 87 nahezu halbiert. Auch die Gewaltdelikte in diesem Bereich seien von 32 auf elf Fälle drastisch zurückgegangen. Einen wichtigen Einfluss auf diese günstige Entwicklung habe der Anfang 2013 eingeleitete Friedensprozess zwischen türkischer Regierung und Führern der PKK.

Im Vergleich zum Vorjahr seien im Jahr 2013 die islamistisch motivierten Straftaten von 13 auf 20 Fälle angestiegen. Der islamistische Terrorismus stelle nach wie vor eine große Herausforderung für die Sicherheitsbehörden dar. „Gerade die Ausreisen von Personen der islamistischen Szene nach Syrien zur Teilnahme an Kampfhandlungen bereiten mir große Sorge. Neben dem Unglück, dass fanatisierte, teils junge Männer und Frauen aus Deutschland im Kugelhagel sterben, stellen sie nach ihrer Rückkehr, geschult im Kriegshandwerk, ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko dar“, warnte Gall.

„Das zumeist konspirative und unkooperative Verhalten der Ausreisewilligen sowie der oftmals herrschende Mangel an belastbaren Tatsachenbeweisen erschweren die Verhinderung von Ausreisen ungemein“, beklagte der Innenminister. Nur durch akribische Polizeiarbeit hätten im November 2013 zwei Personen vor der Ausreise in Richtung Syrien festgenommen werden können. Zudem habe das Landeskriminalamt Baden-Württemberg im Zuge der weiteren Ermittlungen im Februar 2014 einen einflussreichen salafistischen Prediger verhaftet. Dieser stehe im Verdacht, sich des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst nach § 109h StGB und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a StGB strafbar gemacht zu haben.

Bei jenen politisch motivierten Straftaten, die keinem Phänomenbereich explizit zugeordnet werden können, sei ebenfalls ein Anstieg um 27 Prozent auf 480 Straftaten zu verzeichnen. Der Großteil entfalle dabei auf Sachbeschädigungen und Diebstahlsdelikte im Kontext der Bundestagswahl 2013 sowie Straftaten im Zusammenhang mit dem Bauprojekt „Stuttgart 21“. Die Anzahl derartiger Gewaltdelikte habe sich indes von 55 auf 26 Straftaten mehr als halbiert.

Das anonyme Hinweisaufnahmesystem ist auf den Internetauftritten jeder Polizeidienststelle, der Startseite der Polizei und des Innenministeriums abrufbar.

Präventionshinweise zum Rechtsextremismus sind auf den Präventionsseiten der Polizei erhältlich.

Hilfe beim Ausstieg gibt es bei der „Beratungs- und Interventionsgruppe gegen Rechtsextremismus (BIG Rex)“.

Hinweise zum Definitionssystem der Politisch motivierte Kriminalität (PMK)

Der Politisch motivierten Kriminalität werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten,
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben,
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
  • gegen eine Person gerichtet sind, wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht, bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richten.

Darüber hinaus werden Tatbestände gem. §§ 80-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Gewaltdelikte sind solche, die neben der politischen Motivation eine besondere Gewaltbereitschaft der Straftäter erkennen lassen: Tötungsdelikte, Brandstiftung, Sprengstoffdelikte, Körperverletzung, Landfriedensbruch, Raub, Erpressung, Freiheitsberaubung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Sexualdelikte, gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr.

Nicht zuordenbare Politisch motivierte Kriminalität umfasst Straftaten, bei denen die politische Motivation zwar bejaht wird, die jedoch keinem der drei Phänomenbereiche (Rechts, Links, Ausländer) zugeordnet werden können (z.B. Beschädigung von Wahlplakaten durch unbekannte Täter).

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