Der Gesetzgeber passt im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums das Sonn- und Feiertagsrecht an den gesellschaftlichen Wandel im Freizeitverhalten und bei der Gestaltung der arbeitsfreien Tage an. Trotzdem sind der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der inneren Einkehr verfassungsrechtlich geschützt. „Dies soll auch so bleiben“, bekräftigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag (6. Oktober 2015) in Stuttgart. „Dass öffentliches Tanzen mit dem Wesen eines jeden Sonn- und Feiertags unvereinbar sei, wie man früher gemeint hat, empfindet heute kaum noch jemand“, erklärte der Ministerpräsident.
„Ich glaube, dass wir auch den Partygängern vermitteln können, dass es Tage gibt, an denen stilles Gedenken im Vordergrund steht und Diskotheken geschlossen haben. Andererseits gibt es fröhliche Feiertage wie Weihnachten - warum soll man an solchen Tagen nicht tanzen dürfen? Deshalb sollten wir das Tanzverbot auf das Wesentliche beschränken, nämlich auf solche Feiertage, die mit Würde zu begehen sind.“ In diesem Sinne würden die im bundesweiten Vergleich bisher restriktiven Regelungen zum Tanzverbot im baden-württembergischen Feiertagsgesetz gelockert, kündigte der Ministerpräsident an.
Das Landeskabinett habe den entsprechenden Entwurf heute zur Einbringung in den Landtag verabschiedet, berichtete Innenminister Reinhold Gall. Demnach werde auch künftig ein Tanzverbot von Gründonnerstag ab 18 Uhr bis Karsamstag um 20 Uhr gelten. Insbesondere bleibe damit der Charakter des Karfreitags als einer der schutzwürdigsten Feiertage auch weiterhin gewahrt. Dieser Tag sei vor allem durch das Gedenken an die Passion und den Tod von Jesus Christus geprägt, unterstrich Ministerpräsident Kretschmann. „Der Karfreitag ist geradezu das Musterbeispiel für einen Tag, dessen stiller und nachdenklicher Charakter ein Verbot öffentlicher Tanzveranstaltungen auch weiterhin rechtfertigt“, so der Ministerpräsident. Ähnlich liege die Sache bei Allerheiligen, Buß- und Bettag, Volkstrauertag und Totengedenktag (Toten- oder Ewigkeitssonntag), für die daher ebenfalls auch zukünftig ein Tanzverbot gelte.
Hingegen solle das bisher an den übrigen Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 3 bis 11 Uhr bestehende Tanzverbot aufgehoben werden. Insbesondere für Heiligabend und den Ersten Weihnachtstag sei kaum mehr zu vermitteln, warum nicht getanzt werden dürfe. Die übliche Zeit des Hauptgottesdienstes bleibe dabei, wie der Ministerpräsident betonte, durch die für diesen Zeitraum geltenden feiertagsrechtlichen Schutzvorschriften besonders geschützt.
Zudem solle der Beginn des Tanzverbots mit dem Beginn der allgemeinen Sperrzeit nach der Gaststättenverordnung in Einklang gebracht werden, erklärte Innenminister Gall. Die nach der bisherigen Gesetzeslage an einzelnen Feiertagen immer wieder auftretende Diskrepanz zwischen dem Beginn der Sperrzeit und dem Beginn des Tanzverbotes werde damit beseitigt. Diese widersprüchliche Gesetzeslage habe es bisher zusätzlich erschwert, Verständnis für die Verbotszeiten zu vermitteln und Verstöße zu ahnden.
Ministerpräsident Kretschmann und Innenminister Reinhold Gall zeigten sich davon überzeugt, dass mit der Gesetzesreform ein guter Ausgleich der teilweise unterschiedlichen Interessenlagen erreicht werde. „Auch die Anhörung der beteiligten Stellen, die ihre grundsätzliche Zustimmung signalisierten, hat gezeigt, dass wir mit dem Gesetzesvorhaben den richtigen Weg eingeschlagen haben“, hoben Kretschmann und Gall hervor.