Die Landesregierung hat ein umfassendes Maßnahmenpaket verabschiedet, um in Baden-Württemberg die Sicherheit zu stärken, die Migration zu ordnen und der islamistischen Radikalisierung vorzubeugen.
Der Ministerrat hat am Dienstag, 24. September 2024, ein umfassendes Sicherheitspaket (PDF) verabschiedet, auf das sich die Spitzen der grün-schwarzen Regierungskoalition am Vorabend verständigt haben. Das Paket verfolgt drei Ziele: Sicherheit stärken, Migration ordnen und der islamistischen Radikalisierung durch mehr Prävention und Aufklärung vorbeugen. Dazu gehören unter anderem eine personelle Stärkung der Polizei und des Verfassungsschutzes, die Einrichtung eines Staatsschutz- und Anti-Terrorismus-Zentrums in Baden-Württemberg (SAT BW), mehr Befugnisse für die Ordnungsbehörden sowie der verstärkte Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).
„Ohne innere Sicherheit gibt es keine Freiheit“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. „Es gehört zu den zentralen Versprechen des Staates, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten und ein sicheres Leben für seine Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Wird dieses Versprechen nicht ausreichend eingelöst, schadet das der Demokratie und ebnet Extremisten den Weg. Mit dem heute beschlossenen Paket stärken wir die Sicherheitsarchitektur in Baden-Württemberg aus der demokratischen Mitte heraus. Wir zeigen damit: Der Staat ist handlungsfähig.“
Der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl ergänzte: „Es sind sehr bewegte Zeiten. Die Taten von Mannheim und Solingen machen auf brutale Weise deutlich, was eine freie Gesellschaft braucht: Sicherheit. Nur wer sich sicher fühlt, kann frei leben. Das eine bedingt das andere. Und dafür muss der Staat Sorge tragen. Hier stehen wir aktuell vor einer harten Bewährungsprobe: Der Staat muss seinen Handlungswillen und seine Handlungsfähigkeit beweisen. Das tun wir.“
Mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden
„Der Mord am Polizisten Rouven Laur und der Anschlag auf das Stadtfest in Solingen sind uns ein Auftrag zu handeln: entschlossen und kraftvoll. Wir bauen damit jetzt auf Entscheidungen auf, die unsere Koalition in den vergangenen acht Jahren bereits getroffen hat. Wir haben gestern Abend beschlossen, dass unsere Koalition mit einem umfangreichen Bündel an weiteren Maßnahmen für noch mehr Sicherheit sorgt – durch Maßnahmen bei den Sicherheitsbehörden, in der Justiz, bei der Migration und im Bereich der Prävention“, sagte Strobl.
Bei der Ermittlung und Aufklärung setzt Baden-Württemberg in Zukunft verstärkt auf Künstliche Intelligenz. Gerade der virtuelle Raum – also soziale Netzwerke oder Plattformen wie Tiktok – spielen bei der Radikalisierung von Einzeltätern eine immer wichtigere Rolle. Bild- und Videomaterial aus öffentlich zugänglichen Quellen sollen verstärkt mithilfe entsprechender Analysesoftware ausgewertet werden. Auch die behördliche Zusammenarbeit soll gestärkt werden. In Pilotprojekten soll ein gemeinsames Case-Management von Polizei, Strafverfolgungsbehörden, Ausländerverwaltung und weiteren beteiligten Stellen eingerichtet werden, um kriminelle Karrieren von ausländischen Staatsangehörigen frühzeitig zu unterbinden.
Um die irreguläre Migration effektiv einzudämmen, sind möglichst kurze Asylverfahren von entscheidender Bedeutung. Bereits seit Juli dieses Jahres gibt es in Baden-Württemberg sechs Asylkammern mit 18 zusätzlichen Richterstellen. Diese hat die Landesregierung mit dem Maßnahmenpaket weiter gestärkt. Dort werden asylrechtlichen Verfahren mit dem Ziel gebündelt, die Dauer der Verfahren zu verkürzen. Nun sollen die ausländerrechtlichen Verfahren künftig in eigenen Kammern abgewickelt werden. Auch die Arbeit des Sonderstabs Gefährliche Ausländer wird fortgeführt und mit zusätzlichen Mitteln und Personal verstärkt. Der Sonderstab Gefährliche Ausländer der Polizei ermittelt Identitäten krimineller Ausländer, damit diese in ihre Heimatländer abgeschoben werden können.
Radikalisierung verhindern – Präventionsangebote ausbauen
Das Land setzt neben einer konsequenten Strafverfolgung auf etablierte Präventionsangebote. Diese präventiven Maßnahmen sollen vor allem dort zum Einsatz kommen, wo wir die gefährdeten Menschen direkt erreichen: in den Schulen, in den Flüchtlingsunterkünften, aber auch im digitalen Raum. Bereits heute verfügt Baden-Württemberg über den erfolgreichen Ansatz des Integrationsmanagements. Fast 1.200 Integrationsmanagerinnen und -manager unterstützen Geflüchtete in den Kommunen, etwa bei Behördengängen, und fungieren dort als Ansprechpartner. Dieser Ansatz hat sich in der Praxis bewährt. Um die Extremismusprävention an unseren Schulen zu stärken, sollen die Weiterbildungsangebote zur Extremismusprävention für Lehrkräfte flächendeckend ausgebaut werden.
Zusätzlich wird die Landesregierung in der kommenden Bundesratssitzung gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen zwei Bundesratsinitiativen einbringen. Einmal mit dem Ziel, dass der Bund auf mehr Steuerung in der Migrationspolitik hinwirkt, unter anderem durch folgende Maßnahmen: Verbesserung Rahmenbedingungen für Dublin, Abschluss weiterer Rücknahmeabkommen, Rückführung von Straftätern mit syrischer und afghanischer Staatsangehörigkeit, Absenkung der Schwelle des Ausweisungsinteresses für besonders schwere Straftaten, beschleunigte Asylverfahren für Herkunftsstaaten mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent.
Die zweite Entschließung sieht Änderungen im Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung zur Stärkung der Terrorismusbekämpfung vor. Das Ziel ist hier unter anderem die Aufnahme des Begriffs des gefährlichen Werkzeugs in den Katalog strafbarer Handlungen, um leichter verfügbare Tatmittel wie etwa Messer oder Fahrzeuge zu erfassen, die Strafbarkeit auch bei leichtfertiger Terrorismusfinanzierung sowie die zeitnahe gesetzliche Neuregelung der Funkzellenabfrage.
Maßnahmenpaket: „Sicherheit stärken, Migration ordnen, Radikalisierung vorbeugen“ (PDF)