„Wirtschaftskriminalität verursacht immensen Schaden, deshalb dürfen wir bei der Bekämpfung nicht nachlassen“, sagte Innenminister Reinhold Gall bei der Vorstellung der Jahresberichte Wirtschaftskriminalität, Korruption und Organisierte Kriminalität in Stuttgart. Im vergangenen Jahr seien weniger Delikte der Wirtschaftskriminalität bekannt geworden, die Schadenssumme habe trotzdem um fast 25 Prozent auf rund 638 Millionen Euro zugenommen. „Beinahe zwei Drittel des durch Kriminalität verursachten Schadens geht auf Wirtschaftsdelikte zurück“, erklärte Gall.
Gegen den Trend habe sich die Zahl beim „Enkeltrickbetrug“ gegenüber dem Vorjahr von 276 auf 588 (+113 Prozent) mehr als verdoppelt, ebenso der Schaden von 426.000 auf 854.000 Euro. Ein ähnliches Phänomen seien die sogenannten russischen Schockanrufe, die in Baden-Württemberg gleichfalls zahlreich aufträten. Konkrete Zahlen seien allerdings in der Statistik nicht ausgewiesen, da sie unter Erpressung, Nötigung, banden- und gewerbsmäßiger Betrug und Trickbetrug abgehandelt würden. „Diese Straftaten sind besonders perfide, da die betagten Opfer oft um ihre gesamten Ersparnisse gebracht werden“, stellte Minister Gall fest. In beiden Phänomenbereichen müsse man von einem deutlich höheren Dunkelfeld ausgehen. Oftmals werde aus Scham, Opfer einer Straftat geworden zu sein, keine Anzeige erstattet. Dies sei bedauerlich, da der Polizei wichtige Ermittlungsansätze sowie Hinweise auf organisierte Strukturen verloren gingen.
Beim „Enkeltrickbetrug“ geben sich die Täter in der Regel als Verwandte des Opfers aus, die sich in einer vermeintlichen Notlage befinden oder an die Hilfsbereitschaft appellieren und möglichst schnell einen hohen Geldbetrag benötigen. Bei den „russischen Schockanrufen“ werden hauptsächlich russischsprachige Einwanderer Opfer, die einem vermeintlichen Verwandten aus einer Notlage helfen sollen. Neben diesen melden sich vermeintliche Behördenvertreter aus dem Ausland, die dem Anliegen einen offiziellen Anstrich geben und die Zahlungswilligkeit der Opfer erhöhen sollen.
Bei der Organisierten Kriminalität sei die Zahl der Ermittlungsverfahren mit 40 gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant geblieben, gleiches gelte mit 168 Verfahren für die im Vorfeld angesiedelten Bandendelikte. Festzustellen sei, dass mit zwölf Ermittlungskomplexen mehr Verfahren bei der organisierten Eigentumskriminalität geführt wurden. Bei nahezu der Hälfte der Ermittlungen in diesem Bereich seien osteuropäische Gruppierungen ermittelt worden.
„Baden-Württemberg wird die internationale Zusammenarbeit weiter intensivieren und sich an der Strategie der Europäischen Union für den Donauraum aktiv beteiligen“, so Gall. Zur verbesserten Vernetzung der Sicherheitsbehörden plane das Innenministerium Baden-Württemberg im Herbst dieses Jahres ein Fachsymposium zur Bekämpfung der Cybercrime auszurichten. Gerade in diesem Deliktsfeld seien zunehmend organisierte Strukturen festzustellen, wie vier Ermittlungsverfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität belegten. Festgestellt würden besonders das „Hacken“ von Servern und der Einsatz von Schadsoftware.
Im Berichtsjahr sei erstmals seit 2009 wieder ein Anstieg auf 172 Korruptionsdelikte verzeichnet worden. Zurückzuführen sei die Zunahme auf den Anstieg bei Bestechung und Bestechlichkeit aufgrund einiger größerer Ermittlungskomplexe. Dagegen sei bei den Straftaten gegen den Wettbewerb, der sogenannten Wirtschaftskorruption, erneut ein Rückgang zu verzeichnen. Ursächlich dürften die wenigen Hinweise aus den Unternehmen selbst sein, wogegen externe Hinweisgeber deutlich zahlreicher Korruptionssachverhalte gemeldet hätten. „Das zum 1. September des Jahres 2012 gestartete anonyme Hinweisaufnahmesystem zur Bekämpfung der Wirtschafts- und Korruptionskriminalität ist daher ein wichtiger Baustein“, erläuterte Minister Gall die Maßnahme der Landesregierung. Bis zum Jahresende 2012 seien bereits 68 Hinweise auf Korruptionsstraftaten eingegangen, von denen 48 brauchbar waren.
Die Kunstermittler des Landeskriminalamts hätten 668 Straftaten mit Kunstgegenständen und Antiquitäten registriert. Herauszuheben sei der Diebstahl von nahezu 300 Werken aus dem Nachlass des badischen Malers Max Läuger. In diesem Fall seien Teile der Ware über das Internet angeboten worden. „Eine weitere Entwicklung der Kunstkriminalität sind Raubgrabungen. Hier stellen wir leider vermehrt Aktivitäten fest, welche die Spuren der Vergangenheit unwiederbringlich auslöschen“, fasste Minister Gall zusammen. An mehreren Stellen im Grenzgebiet zu Frankreich sowie im Bodenseeraum seien Gräber, Burgen und Burgruinen Ziel illegaler Ausgrabungen geworden. Verdächtige Wahrnehmungen, beispielsweise Personen mit Suchsonden, sollten umgehend der Polizei gemeldet werden.
Präventionshinweise zur Wirtschaftskriminalität und Betrugsthemen, wie dem „Enkeltrickbetrug“ und dem Phänomen „russische Schockanrufe“ stehen auf www.polizei-beratung.de.
Die Jahresberichte des Landeskriminalamts zur Wirtschaftskriminalität, Korruption und Organisierten Kriminalität in Baden-Württemberg sowie der Zugang zum anonymen Hinweisaufnahmesystem für vertrauliche Hinweise von Korruption und Wirtschaftskriminalität können unter www.lka.bw.de oder unter www.im.baden-wuerttemberg.de abgerufen werden.