Die Innenministerkonferenz stimmt in ihrer Herbsttagung wichtigen Vorschlägen aus Baden-Württemberg kraftvoll und einmütig zu. So soll unter anderem das Waffenrecht verschärft und Großveranstaltungen noch besser geschützt werden.
„Die Herbsttagung der Innenministerkonferenz war geprägt von multiplen Krisen, die sich aktuell überlagern und die Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben. Dazu gehört: der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit allen seinen Folgen, die Sicherheit Kritischer Infrastrukturen, die Sorgen um die Energiesicherheit und vor allem der gewaltige Druck auf unsere Demokratie von innen und außen. Die Innenministerkonferenz hat dabei in großer Einigkeit den Willen gezeigt, die Sicherheit der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern und in Fragen der Inneren Sicherheit einen demokratischen Konsens herzustellen. Dabei hat die Innenministerkonferenz wichtigen Vorschlägen aus Baden-Württemberg kraftvoll und einmütig zugestimmt“, zog der Stv. Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl ein positives Résumé der Innenministerkonferenz. Die Innenministerinnen und Innenminister sowie die Innensenatorinnen und Innensenatoren der Länder hatten sich gemeinsam mit BundesinnenministerinNancy Faeser von Mittwoch (30. November 2022) bis Freitag (2. Dezember 2022) in München intensiv zu Themen der Inneren Sicherheit beraten.
Die Innenministerkonferenz hat unter anderem einstimmig diesen Vorschlägen Baden-Württembergs zugestimmt:
Verschärfung des Waffenrechts
„Wir haben immer gesagt: Waffen dürfen nicht in den Besitz von unzuverlässigen Personen gelangen. Insbesondere in den Händen von Verfassungsfeinden haben Waffen nichts verloren. Seit 2017 stand die Entwaffnung der Reichsbürger- und Extremistenszene ganz oben auf unserer Agenda – und wir haben hier zahlreiche Maßnahmen in die Wege geleitet. Diese harte und akribische Arbeit unserer Waffenbehörden, unseresLandeskriminalamts und unseresVerfassungsschutzes zeigen Wirkung! Seit 2017 haben wir Reichsbürgern und Extremisten mehr als 400 erlaubnispflichtige Waffen abgenommen. Auf Vorschlag von Baden-Württemberg wurde bereits eine entscheidende Regel ins Waffengesetz aufgenommen: Danach reicht seither eine Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung aus, um waffenrechtlich als unzuverlässig eingestuft zu werden. Hier müssen wir nachschärfen, damit das nicht umgangen oder unterwandert werden kann. Wir müssen also gerade an diesem Punkt der Regelung die Schrauben noch einmal anziehen, um Extremisten noch effektiver zu entwaffnen – und das hat die Innenministerkonferenz auf meinen Vorschlag hin beschlossen: Das Bundesinnenministerium wurde auf Initiative Baden-Württembergs um Prüfung gebeten, ob das Waffengesetz dahingehend geändert werden kann, dass die dort aufgeführten Mitgliedschaften in einer extremistischen Vereinigung eine absolute waffenrechtliche Unzuverlässigkeit begründen“, so Minister Thomas Strobl.
Vorratsdatenspeicherung
Die Innenministerkonferenz hat sich dafür ausgesprochen, dass die geltende Speicherverpflichtung für IP-Adressen so bald wie möglich umgesetzt sowie durch eine Speicherverpflichtung für Portnummern (also das konkrete Gerät) ergänzt wird. Dazu erklärte Innenminister Thomas Strobl: „Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist deutlich und unmissverständlich: Der Europäische Gerichtshof gibt einen klaren Rahmen zur Vorratsdatenspeicherung vor – und er gibt uns vor allem Handlungsmöglichkeiten. Diese gilt es für die Sicherheit der Menschen in unserem Land zu nutzen. Vereinfacht gesagt: Wir müssen die digitalen Reifenspuren sichtbar machen können. Gemeint ist eine begrenzte Speicherung der Verkehrsdaten, die beispielsweise auch die Inhaber von dynamischen IP-Adressen hinterlassen, um im Nachhinein die Spurenleger identifizieren zu können. Gerade Extremistinnen und Extremisten sowie Anbieter von Missbrauchsabbildungen nutzen häufig Anonymisierungsdienste, um ihre digitalen Reifenspuren zu verwischen. Wenn es uns gelingt, ein Verwischen dieser Spuren durch eine Speicherung der Verkehrsdaten zu vermeiden, schützen wir vor allem junge und jüngste Opfer von Kindesmissbrauch vor unvorstellbarem Leid – ein Leid, das mit entsprechenden Speicherfristen zu verhindern wäre.“
Schutzräume für die Bevölkerung
Die Innenministerkonferenz hat auf Initiative Baden-Württembergs beschlossen, die Anforderungen an öffentliche Schutzräume zu analysieren und auf dieser Grundlage unter Beteiligung der Länder ein modernes Schutzraumkonzept zu erarbeiten. Auf dieser Grundlage soll zeitnah dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung und den jeweiligen örtlichen Verhältnissen entsprechend Lösungen gefunden werden. „Nach Jahrzehnten des Friedens ist wieder Krieg in Europa. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine ist eine Zäsur, ja eine Zeitenwende. Am Morgen des 24. Februar 2022 wachten wir in einer Welt auf, die sich über Nacht grundlegend verändert hatte. Dieser Krieg wirft einen langen Schatten, der weit über die Russische Föderation, die Ukraine und die unmittelbaren Nachbarstaaten hinausreicht. In der Ukraine greift Russland nicht nur militärische Ziele an, sondern auch ganz bewusst die Infrastruktur – mit dramatischen Folgen für die Zivilbevölkerung. Das muss uns zu denken geben. Wir müssen nicht nur unsere Verteidigung nach außen stärken, sondern auch den Bevölkerungsschutz im Innern. Konkret heißt das: Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die Zivilbevölkerung in Deutschland vor dem unvorstellbaren Fall eines kriegerischen Angriffs auf unser Land schützen können – es gilt, das Undenkbare zu denken und sich entsprechend darauf vorzubereiten. Deshalb brauchen wir vom Bund auch dringend klare Aussagen unter anderem für bauliche Voraussetzungen von Alltagsgebäuden, Prüfung unterirdischer Straßen- und Bahnsysteme zur Beherbergung von Menschen, aber auch Empfehlungen für die Bevölkerung an sich. Das alles muss in ein klares Konzept zum Schutz der Zivilbevölkerung münden. Angesichts der Bilder, die uns beinahe täglich aus der Ukraine erreichen, erwarten die Bürgerinnen und Bürger zurecht von uns, dass wir hier rasch und unter Berücksichtigung der vorhandenen Infrastruktur Klarheit schaffen“, so Minister Thomas Strobl.
Schutz von Großveranstaltungen durch die Software ESCAPE PRO
„Große Feste, große Veranstaltungen, ob in Hallen oder Stadien, auf Veranstaltungsflächen im öffentlichen Raum oder im Zusammenhang mit Demonstrationen, erfordern von Veranstaltern und auch für unsere Polizei reichlich Planungsgeschick. Die tragischen Bilder der Love Parade 2010 in Duisburg sind vielen von uns immer noch präsent. Vor diesem Hintergrund hat das bundesweite Forschungsprojekt ESCAPE ein Softwaremodell entwickelt, das für Situationen mit großen Menschenansammlungen Bewegungsströme exakt und realitätsnah simulieren kann – auch bei mehreren parallel stattfindenden Veranstaltungen. Nun wollen wir den nächsten Entwicklungsschritt gehen: Aus ESCAPE soll ESCAPE PRO werden. Mit ESCAPE PRO können wir noch besser polizeiliche Einsätze planen“ erklärte Innenminister Thomas Strobl.
In vielen deutschen Städten finden während der UEFA EURO 2024 eine Vielzahl von Großveranstaltungen auf engem Raum mit mehreren Tausend Besuchern statt. Bei solchen Veranstaltungen ist, aufgrund der hohen abstrakten terroristischen Bedrohungslage, insbesondere auf das Crowd-Management ein besonderes Augenmerk zu legen. Mit dem bereits beendeten bundesweiten Forschungsprojekt ESCAPE wurde, unter anderem unter Beteiligung des Polizeipräsidiums Stuttgart, eine Software entwickelt, die erstmalig auch die Simulation von Personenströmen in großflächigen Bereichen auch von parallel stattfindenden Veranstaltungen sowie deren Wechselwirkungen ermöglicht. Der gegenwärtige Softwarestand soll jetzt weiterentwickelt, getestet und evaluiert werden, so dass das Innovationsprojekt ESCAPE PRO dann im polizeilichen Regel- und Realbetrieb zum Einsatz kommen kann. Der Bund und die Länder haben auf Initiative Baden-Württembergs beschlossen, ESCAPE PRO zu unterstützen.
Finanzierung der Bereitschaftspolizei
„Es ist gute und gelebte Praxis im Föderalismus und klar vereinbart, dass sich der Bund und die Länder die Kosten für die Ausstattung der Bereitschaftspolizeien fair teilen. Leider kommt der Bund aktuell seiner Pflicht hier nicht nach: Die Haushaltsmittel des Bundes reichen bei weitem nicht mehr aus, um die Bereitschaftspolizeien bedarfsgerecht mit Führungs- und Einsatzmitteln auszustatten. Es fehlen derzeit fast 300 Fahrzeuge, vor allem Fahrzeuge für den Transport von Einsatzkräften, die der Bund einfach nicht beschafft. Weil der Bund nicht genug tut, haben wir etwa Einsatzmehrzweckstöcke, Atemschutzmasken, Feuerlöscher oder leichte Körperschutzausstattung selbst beschafft – damit unsere Einsatzkräfte für Einsatzlagen in Baden-Württemberg, aber auch bei der Unterstützung in den anderen Ländern gut ausgestattet sind. So ist das aber nicht hinzunehmen. Das muss sich ändern, der Bund muss hier mehr Gelder bereitstellen. Gerade jetzt, wo unsere Sicherheitsbehörden zahlreichen Herausforderungen gegenüberstehen und mehrere Krisen gleichzeitig bewältigen müssen“, betonte Innenminister Thomas Strobl. Die Innenministerkonferenz hat dementsprechend auf Antrag Baden-Württembergs beschlossen, die Grundlagen der Finanzierung und Ausstattung der Bereitschaftspolizeien der Länder durch den Bund zu überprüfen und dafür Sorge zu tragen, dass die Verfahrensschritte der Verteilung gegenüber den Ländern transparent gemacht werden. Zudem sollen die Verwaltungsabkommen und die vorgesehenen Haushaltsansätze im Hinblick auf notwendige Veränderungsbedarfe hin überprüft werden.