Bei einer viertägigen Reise nach Rumänien hat sich Innenminister Reinhold Gall ein Bild von der Situation der deutschen Minderheit im Banat gemacht. „Ich bin überzeugt, dass die deutsche Kultur im Banat sehr lebendig ist, auch wenn mittlerweile der allergrößte Teil der Banater Schwaben in Deutschland lebt“, sagte Gall nach seiner Rückkehr. Er habe viele Gespräche mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Schule geführt, die von einer angenehmen Atmosphäre und gegenseitigem Verständnis geprägt gewesen seien.
Der Reisebericht
Innenminister Gall besuchte vom 30. Juli bis 2. August 2015 das Banat in Begleitung des Oberbürgermeisters von Karlsruhe, Dr. Frank Mentrup, sowie des Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber, sowie einer Delegation aus Vertretern des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen und der Donauschwäbischen Kulturstiftung. Den Auftakt des Besuchs im Banat bildete ein Gespräch mit Bischof Martin Roos im Bischofspalais in Temeswar. Bischof Roos erwarb sich große Verdienste dadurch, dass er nach der politischen Wende in Rumänien die Diözese reorganisierte und trotz der massenhaften Auswanderung der Deutschen feste Strukturen aufgebaut hat, die heute das kirchliche Leben tragen. Nach seinen Aussagen hat die Auswanderung der Deutschen aus dem Banat nicht nur das Aussehen der einstigen deutschen Dörfer radikal verändert, sondern sie hatte auch sonst zahlreiche negative Auswirkungen u.a. in der katholischen Kirche. Bildeten die Deutschen im Banat vor der Auswanderung die Mehrheit der römisch-katholischen Gläubigen, so gebe es in Banater Ortschaften kaum noch Deutsche und damit auch viel weniger Katholiken. Ein Problem stelle auch die Erhaltung der Kirchengebäude und der wertvollen Kultgegenstände dar.
Im Anschluss daran traf sich der Innenminister mit Vertretern des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus. An diesem Gespräch nahmen neben dem Abgeordneten des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) im Rumänischen Parlament, Ovidiu Ganţ, die Vorsitzenden des Ortsforums Arad und der Banater Berglanddeutschen von Temeswar, der Leiter der Sozial-Stiftung des Forums, der Geschäftsführer „Banatia“, die Vorsitzende des Jugendforums, die Leiterin der Lenau-Schule und der Vorsitzende des Vereins der Russlanddeportierten teil.
Innenminister Gall betonte, dass im Hinblick auf die gemeinsame kulturelle Vergangenheit die Förderung der Kulturarbeit, wie sie § 96 Bundesvertriebenengesetz Bund und Ländern auftrage, für Baden-Württemberg und die Landesregierung sehr wichtig sei. Anschließend nahm der Innenminister mit seiner Delegation die Gelegenheit zum Besuch und zu Gesprächen mit den Bewohnern des Altenheims bzw. der Sozialstation wahr. Danach legte Gall am kürzlich eingeweihten Denkmal der Russlanddeportierten am Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus ein Gesteck nieder.
Zum Abschluss dieses ersten Besuchstages besuchte der Innenminister in Begleitung des Oberbürgermeisters der Stadt Karlsruhe die Bileder. Beim Besuch des Bürgermeisters trug sich der Minister in das Goldene Buch der Stadt ein. Zudem besuchte er dort das Heimathaus in Biled.
Die Reihe der Gespräche am 31. Juli begann mit einem Besuch des Ministers und der Delegation beim Bürgermeister der Stadt Temeswar. Bürgermeister Nicolae Robu stellte der Delegation Temeswar ausführlich dar und betonte insbesondere die sich aus den historischen Wurzeln ergebenden besonderen Beziehungen der Stadt und des Banats zu Baden-Württemberg. Er hob insbesondere hervor, wie wichtig der Beitrag der Deutschen gerade auch in kultureller Hinsicht für Temeswar sei. Die Wirtschaftslage der Stadt sei auch dank der deutschen Unternehmen in Temeswar sehr gut. Einblicke in die Verwaltungsstruktur in Rumänien erhielt der Innenminister in den anschließenden Gesprächen mit dem Vertreter des Kreisratspräsidenten und mit dem Präfekten Eugen Dogariu.
Danach besuchten der Minister und seine Delegation die Firma Haufe Lexware GmbH & Co. KG. Hierbei handelt es sich um eine seit 2010 in Temeswar bestehende Niederlassung der baden-württembergischen Firma Haufe Lexware GmbH & Co. KG mit Stammsitz in Freiburg. Die Firmenvertreter hoben dabei besonders hervor, dass für die Eröffnung eines Standorts in Rumänien die Qualität der Ingenieure sowie die guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheidend gewesen seien.
Im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Lenau-Schule wurden zwei aktuelle Anliegen der Schule erörtert. Zum einen ging es um die Sicherung des Schulbetriebes nach Ende der Sommerferien Mitte September 2015 vor dem Hintergrund der Renovierungsarbeiten im Schulgebäude. Hier zeichnete sich nach dem Gespräch des Ministers mit dem Bürgermeister der Stadt Temeswar eine Lösung dahingehend ab, dass der Schulbetrieb vorübergehend in Räumen der Polytechnischen Hochschule weitergeführt werden kann. Ein weiteres Anliegen der Schulleitung war der Fachlehrermangel insbesondere in den Fächern Physik und Mathematik. Hier sagte Minister Gall zu, sich an den Kultusminister, Minister Andreas Stoch MdL, zu wenden und um Prüfung zu bitten, inwieweit das Land die Lenau-Schule bei der Suche nach entsprechenden Fachlehrern unterstützen kann.
Der Minister nahm danach an der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Hochschule Karlsruhe und der West-Universität Temeswar zur Einrichtung eines Doppelabschlussprogramms Bachelor Wirtschaftsinformatik und eines Sponsoring-Vertrags zwischen dem deutschen Wirtschaftsclub Banat und der West-Universität Temeswar teil. In seinem Statement begrüßte Minister Gall die Kooperation der Universität und der Hochschule und verwies auf die herausragenden Möglichkeiten der Studierenden im Rahmen des Doppelabschlussprogramms, sich einzigartig zu qualifizieren und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Es folgte ein Stadtrundgang, geführt durch den Redaktionsleiter der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien – Banater Zeitung – mit Besichtigung des Revolutionsmuseums. Am Abend lud Innenminister Reinhold Gall Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Kirche und der deutschen Minderheit zu einem Empfang in die Residenz des Konsuls ein.
Am 1. August 2015 führte die Reise Innenminister Gall und seine Delegation nach Sanktanna. Nach einem Empfang beim Bürgermeister schloss sich die Delegation dem Festzug zur Teilnahme am Hochamt an. Das Kirchweihfest ist das größte Volksfest im Banat, eine Mischung aus religiösen und weltlichen Ausdrucksformen, veranstaltet von den Banater Schwaben. Das Fest ist vor allem ein Wiedersehen mit „alten“ Bekannten und eine Auffrischung der Erinnerungen wie es früher war, als noch alle in der „alten Heimat“ lebten. Zur Überraschung des Ministers fanden sich auch Landsleute aus der Heimat, etwa aus Heilbronn, in Sanktanna ein, die zur Feier der Kirchweih angereist waren.
Nach einem Besuch der Schule, die demnächst den Namen des aus Sanktanna stammenden Nobelpreisträgers Prof. Dr. Stefan Walter Hell tragen soll, dem Besuch der Sozialstation und interessanten Unterhaltungen mit deren Bewohnern übergab der Innenminister ein Fahrzeug der Landesfeuerwehrschule an die Gemeinde Sanktanna. In seiner Ansprache betonte der Minister, Baden-Württemberg unterstütze aus Solidarität gerne die Kollegen der Feuerwehren in Rumänien, die mit ungleich schwierigeren Rahmenbedingungen für den Brandschutz sorgten. Das überlassene Löschgruppenfahrzeug LF 16/12 mit Baujahr 1993 wurde viele Jahre in Bruchsal bei der praktischen Ausbildung an der Landesfeuerwehrschule eingesetzt.
Zurück in Temeswar besuchte die Delegation die Firma Barum GmbH & Co. KG. Hierbei handelt es sich um ein Familienunternehmen. In Temeswar wurde die Firma 1993 gegründet und produziert Komponenten für den Maschinenbau. Auch bei diesem Firmenbesuch wurde einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, qualifizierte und gut ausgebildete Fachkräfte zu bekommen. Diese Voraussetzungen sind nach Angaben des Firmeninhabers in Temeswar auch durch die Kooperation mit der dortigen Universität sehr gut gegeben. Den Abschluss dieses Tages bildete ein Abendessen mit anschließendem Orgelkonzert auf Einladung von Bischof Martin Roos. Neben den Mitgliedern der Delegation waren der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, MdB Hartmut Koschyk, der Abgeordnete Ovidiu Ganţ, Botschafter Werner Hans Lauk und Joachim Kardinal Meisner anwesend. Nach dem Essen folgte ein gemeinsamer Fußweg zum Temeswarer Dom. Der Dom ist die Kathedrale des Bistums und der zweitgrößte barocke Sakralbau in Südosteuropa. Das Orgelkonzert bildete den klangvollen Abschluss dieses Besuchstages in Temeswar.
Am 2. August 2015, dem letzten Tag der Banat-Reise des Ministers, führte die Fahrt zur Basilika Maria Radna. Die Delegation nahm am Hochamt zur Segnung der Renovierungsarbeiten der Wallfahrtskirche in Maria Radna teil. Hauptzelebrant des Pontifikalamtes mit der Krönungsmesse von Mozart war Joachim Kardinal Meisner. Anwesend waren viele katholische Würdenträger als Serbien, Ungarn, Deutschland, Österreich, Kroatien und Italien sowie Vertreter anderer Konfessionen. Zudem waren der deutsche Botschafter Werner Hans Lauk und MdB Hartmut Koschyk anwesend. Das Pontifikalamt wurde auch vor der Basilika auf große Leinwände und im Rumänischen Fernsehen live übertragen. Im internationalen Begegnungszentrum der bulgarischen Minderheit in Lipova nahm die Delegation an einem Mittagessen für alle geladenen Gäste auf Einladung von Bischof Martin Roos teil. Danach erfolgte die Abfahrt zum Flughafen Temeswar und von dort die Rückreise.
Innenminister Reinhold Gall mit der Delegation nach der Kranzniederlegung am Mahnmal zum Gedenken an die Banater Opfer in den Arbeitskolonnen der Russlanddeportation (JPG)
Innenminister Gall mit einem Kirchweihhut in Sanktanna (JPG)
Bischof Martin Roos (dritter von rechts) im Gespräch mit Innenminister Reinhold Gall (zweiter von links) (JPG)