„Durch die geplanten Gesetzesänderungen verbessern wir die Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene für die gesamte Bevölkerung und erhöhen die Transparenz bei kommunalen Entscheidungen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag (10. Februar 2015) in Stuttgart, nachdem der Ministerrat das Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften zur Anhörung frei gegeben hatte.
„Wir erweitern die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene, indem wir bei Bürgerbegehren das Unterschriftenquorum auf sieben Prozent der Einwohner einer Gemeinde und das Zustimmungsquorum für die Verbindlichkeit eines Bürgerentscheids von 25 auf 20 Prozent der Stimmberechtigten senken“, unterstrich Innenminister Reinhold Gall. „Bürgerentscheide werden dadurch sicherlich seltener an diesem Zustimmungsquorum scheitern.“ Die Frist für Bürgerbegehren gegen Beschlüsse des Gemeinderats werde von sechs Wochen auf drei Monate verlängert. Zudem werde der Anwendungsbereich auf die Einleitung des Bauleitplanverfahrens ausgedehnt. „Gerade durch den Ausschluss der Bauleitplanungen war es vielen Bürgerinnen und Bürgern bislang verwehrt, ein Bürgerbegehren zu beantragen. Durch die neue Regelung werden Bürgerbegehren praktikabler und bieten dennoch genügend Sicherheit für die planende Kommune“, betonte der Ministerpräsident. „Diese Punkte wurden in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe des Landtags von Regierungs- und Oppositionsfraktionen gemeinsam vereinbart. Für diesen Kompromiss danke ich allen Fraktionen“, hob der Ministerpräsident hervor.
Eine Stärkung erfahren mit der Novelle auch die Rechte von Kindern und Jugendlichen. „Die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen werden gesetzlich verankert und wir ermöglichen, dass Jugendliche künftig die Einrichtung einer Jugendvertretung beantragen können“, sagte der Innenminister. Zudem werden die Rechte der Jugendvertretungen erweitert, indem sie Rede-, Anhörungs- und Antragsrechte im Gemeinderat und ein eigenes Budget erhalten. „Wenn wir von Kindern und Jugendlichen politisches Engagement einfordern, dann müssen wir ihnen auch konkrete Mitsprache ermöglichen. Wenn sie Politik dort erleben können, wo es sie persönlich betrifft, dann werden Kinder und Jugendliche auch politisch aktiv und interessiert“, so der Ministerpräsident.
„Bürgerversammlungen werden künftig zu Einwohnerversammlungen, so dass auch Staatsangehörige aus Nicht-EU-Staaten einen Antrag auf Durchführung einer Einwohnerversammlung unterzeichnen dürfen. Damit stärken wir die Rechte von Ausländerinnen und Ausländern“, kündigte Gall an. Gleiches gelte für die Antragsberechtigung bei Bürgeranträgen, die künftig Einwohneranträge heißen. Auch hierfür werden die erforderlichen Quoren gesenkt und Fristen für die Antragstellung verlängert. So müssen beispielweise zukünftig Einwohneranträge in Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern von 1,5 Prozent der Einwohner, aber höchstens von 2.500 unterzeichnet sein. In Kommunen unter 10.000 Einwohnern müssen in Zukunft maximal 200 Einwohnerinnen und Einwohner unterschreiben.
Im Gesetzentwurf sei erstmals die gesetzliche Verankerung von Fraktionsrechten vorgesehen. Die Einberufung einer Gemeinderatssitzung, die Aufnahme eines Tagesordnungspunktes oder der Antrag auf Akteneinsicht könne künftig von einer Fraktion oder einem Sechstel der Gemeinderäte beantragt werden. „Mit dieser Gesetzesänderung erhalten Minderheiten und Fraktionen in den kommunalen Gremien mehr Gewicht“, betonte der Innenminister.
Ein weiteres wichtiges Anliegen des Gesetzentwurfs sei es, die Transparenz bei kommunalen Gremiensitzungen zu erhöhen. „Künftig werden daher Vorberatungen in Ausschüssen anders als bisher in der Regel öffentlich sein“, betonte der Ministerpräsident. „Die Entscheidungsfindung findet in den Kommunen in der Regel in den Ausschüssen statt, diese dürfen wir der Öffentlichkeit nicht vorenthalten.“ Zudem sollen Tagesordnungen, Sitzungsunterlagen und Beschlüsse kommunaler Gremien im Internet veröffentlicht werden.
Hintergrundinformationen:
Mit dem Gesetzentwurf werden die am 13. Mai 2014 vom Kabinett beschlossenen Eckpunkte umgesetzt. Die betroffenen Verbände erhalten nun Gelegenheit, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Nach der Auswertung der Stellungnahmen wird sich das Kabinett erneut mit dem Gesetzentwurf befassen und diesen in den Landtag einbringen.