Polizei

Untersuchung zu Rassismus und Diskriminierung

Rückenansicht eines Polizisten der Polizei Baden-Württemberg.

Innenminister Thomas Strobl hat die polizeiliche Disziplinarstatistik auf Vorkommnisse mit möglicherweise rassistischem Hintergrund hin untersuchen lassen. Das Ergebnis der Untersuchung zu Rassismus und Diskriminierung in der Polizei lag im Juli 2020 vor.

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl erklärte: „Den Generalverdacht, dass die Polizei ein strukturelles Rassismus- oder Diskriminierungsproblem habe, lasse ich für die Polizei in Baden-Württemberg nicht im Raum stehen – deshalb haben wir bereits gehandelt. Mitte Juni habe ich dem Inspekteur der Polizei den Auftrag gegeben, die polizeiliche Disziplinarstatistik der vergangenen fünf Jahre gründlich zu durchleuchten. Das Ergebnis liegt jetzt vor.
 
Die Untersuchung durch den Inspekteur der Polizei zeigt: Unsere Landespolizei hat kein strukturelles Rassismus- oder Diskriminierungsproblem. Seit dem 1. Januar 2015 gab es 163 Beschwerden über diskriminierendes Verhalten – das sind im Schnitt rund 15 Beschwerden pro Halbjahr. Zur Einordnung dieser Zahl: Bei der Landespolizei gibt es rund 33.000 Beschäftigte. Lediglich in rund fünf Prozent der eingereichten Beschwerden hat sich der Verdacht auf eine diskriminierende Verhaltensweise der Landespolizei bestätigt. Die seit dem 1. Januar 2015 bestehenden 26 Disziplinarfälle mit dem Vorwurf von diskriminierenden Verhaltensweisen betreffen nur rund 0,1 Prozent der rund 24.500 Polizeibeamtinnen und -beamten.
 
Ich habe dieses Thema ganz bewusst ganz oben, beim ranghöchsten Polizeivollzugsbeamten angesiedelt: Weil wir das Thema aktiv und mit Nachdruck angehen. Mir ging es um eine intensive und umfassende Auswertung, wo ein Fehlverhalten möglicherweise einen rassistischen Hintergrund haben könnten. Zudem hatte der Inspekteur der Polizei den Auftrag, die Disziplinarstatistik auf Verbesserungen zu hinterfragen, so dass beispielsweise Fälle mit rassistischem Hintergrund als solche künftig zielgenau erfasst werden.
 
Die Untersuchung hat gezeigt: So, wie die Disziplinarstatistik bislang geführt wird, ist eine Auswertung auf Rassismus- und Diskriminierungsvorwürfen nicht ohne weiteres möglich. Deshalb machen wir hier Verbesserungen. Zum einen werden die Auswertungsoptionen der Disziplinarstatistik um den Unterpunkt „Diskriminierungen“ erweitert – mit spezifischen Unterpunkten wie Diskriminierungen aufgrund des Vorwurfs von Rassismus, des Vorwurfs von Antisemitismus, des Vorwurfs eines Racial Profiling sowie aufgrund von Diskriminierungen wegen des Geschlechts, einer Behinderung, aufgrund einer religiösen oder weltanschaulichen Gesinnung und in Bezug auf die sexuelle Orientierung. Wir werden die nachgeordneten Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst nach der Optimierung der Eingabemaske auffordern, rückwirkend zum 1. Januar 2020 alle solchen Fälle nachzumelden. Außerdem wird künftig in meinem Haus, im Landespolizeipräsidium eine eigenständige Liste geführt, in welcher alle Disziplinarfälle mit Bezug zu diskriminierenden Vorwürfen der Landespolizei aufgeführt werden. Eine solche Liste gibt es bereits für Disziplinarfälle mit Bezug zum Extremismus – und auch hier soll nachgemeldet werden.
 
In Baden-Württemberg waren wir freilich im Bereich der Rassismusprävention schon bislang nicht untätig. Wir dulden bei der Polizei keinerlei rassistisches Verhalten. Antirassismus und die Bekämpfung von Antisemitismus sind fester Bestandteil der Ausbildung einer jeden Polizeibeamtin und eines jeden Polizeibeamten. Wir öffnen unsere Polizei in Baden-Württemberg für Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationsgeschichte – mit beachtlichen Fortschritten in den letzten Jahren. Und schließlich wurde auch ein Polizeibeamter von der Landesregierung als Mitglied des Landesbeirats für Integration berufen.“

Zusammenfassung der Ergebnisse

Ergebnisse der Untersuchung zu Beschwerden mit Bezug zu Diskriminierungen:
Seit 1. Januar 2015 sind bei den nachgeordneten Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst insgesamt 163 Beschwerden mit dem Vorwurf von diskriminierenden Handlungen oder Äußerungen eingegangen:

  • In 136 Fällen wurde der Vorwurf erhoben, dass die Landespolizei eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin begangen habe.
  • Neun Fälle hatten als Vorwurf eine „allgemeine Diskriminierung“ zum Gegenstand.
  • In vier Fällen wurde der Vorwurf einer Diskriminierung aufgrund des Alters erhoben.
  • Weitere drei Personen haben Beschwerde erhoben mit dem Vorwurf einer Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts.
  • Fünf Beschwerden hatten als Gegenstand den Vorwurf einer Diskriminierung aufgrund einer Behinderung.
  • Zu den Vorwürfen einer Diskriminierung aufgrund eines nicht vorhandenen barrierefreien Zugangs zu einem Polizeipräsidium, einer Diskriminierung aufgrund von sexueller Ausrichtung, Religion, Krankheit, Tätowierung und Obdachlosigkeit sind jeweils eine Beschwerde eingegangen. 

 Von den 163 Beschwerdeverfahren hat sich im weit überwiegenden Bereich – bei insgesamt 133 Beschwerdeeingaben – der Vorwurf einer diskriminierenden Verhaltensweise durch die Landespolizei nicht erhärtet. 19 sind noch nicht abgeschlossen. Drei Beschwerdeeingaben waren im Nachhinein nicht mehr aufklärbar. In acht Fällen haben sich die Vorwürfe bestätigt.
 
Ergebnisse der Untersuchung zu Disziplinarverfahren bzw. beamtenrechtliche Entlassungsverfahren mit Bezug zu Diskriminierungen:
 
In den nachgeordneten Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst der Landespolizei sind seit dem 1. Januar 2015 insgesamt 26 Disziplinarfälle aufgrund des Vorwurf der Verletzung von beamtenrechtlichen Dienstpflichten aufgrund von diskriminierenden Verhaltensweisen geführt worden. Insgesamt 16 dieser Disziplinarfälle standen bzw. stehen im Zusammenhang mit rassistischen und fremdenfeindlichen Verhaltensweisen. Ein Disziplinarverfahren wird aufgrund des Vorwurfs von antisemitischen Äußerungen geführt, ein weiteres wegen einer Diskriminierung eines/einer Behinderten. In acht Disziplinarverfahren wird bzw. wurde der Vorwurf von frauenfeindlichen Verhaltensweisen untersucht.
 
Den eingeleiteten Disziplinar- bzw. Entlassungsverfahren lag entweder einer Strafanzeige eines Bürgers zugrunde oder die Dienstvorgesetzten haben durch interne Vorgänge Kenntnis von den streitgegenständlichen Umständen erlangt.
 
Elf dieser Disziplinarverfahren sind bislang noch nicht abgeschlossen. Die zuständige Disziplinarbehörde hat in neun der bereits bearbeiteten Fälle das Disziplinarverfahren eingestellt. In drei Fällen wurde das Disziplinarverfahren mit der Verfügung eines Verweises beendet. In zwei der abgeschlossenen Fälle wurde eine Geldbuße verhängt. In einer Situation wurde auf die Einleitung eines Disziplinarverfahrens verzichtet, da der betroffene Beamte in den Ruhestand trat. 
 
Bei 21 der 26 Disziplinarfälle war die Staatsanwaltschaft mit eigenständigen strafrechtlichen Ermittlungen betraut. Ein hinreichender Tatverdacht wurde in sechs Fällen durch die Staatsanwaltschaft verneint. In fünf Fällen wurde im gerichtlichen Verfahren eine Geldstrafe ausgesprochen, in einem Fall kam es zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung.
 
Darüber hinaus wurden in die Auswertung die Vorfälle vom Spätjahr 2019 an der Hochschule für Polizei aufgenommen, wobei Polizeischüler rassistisches, antisemitisches und frauenfeindliches Gedankengut in einer Whatsapp-Gruppe geteilt hatten. Da es sich hierbei um Beamte auf Widerruf handelt, wurde kein Disziplinarverfahren betrieben, sondern es konnte ein beamtenrechtliches Entlassungsverfahren eingeleitet werden. Drei der betroffenen Polizeischüler haben den Entlassungsantrag eigenständig gestellt. Zwei Polizeischüler haben das Entlassungsverfahren akzeptiert. In zwei Fällen laufen noch Widerspruchsverfahren.

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