FAQ zum Polizeigesetz
Anlass für die aktuelle Überarbeitung des Polizeigesetzes ist die Datenschutz-Richtlinie der EU für Polizei und Justiz (Richtlinie (EU) 2016/680), die in nationales Recht umgesetzt wird. Im Zuge der europäischen Datenschutzreform werden die datenschutzrechtlichen Regelungen insgesamt neu geordnet. In diesem Zusammenhang müssen zahlreiche Vorschriften zum Datenschutz nun unmittelbar in das Polizeigesetz aufgenommen werden.
Weiterer Änderungsbedarf ergibt sich durch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu verschiedenen Regelungen des Bundeskriminalamtgesetzes sowie zur Regelung des Polizeigesetzes über die automatische Kennzeichenerfassung. In diesen Entscheidungen wurden konkrete verfassungsrechtliche Anforderungen aufgestellt, denen das Polizeigesetz künftig genügen muss.
Zudem werden einige polizeiliche Befugnisse an rechtliche und tatsächliche Veränderungen angepasst. So hat sich zum Beispiel in der praktischen Anwendung gezeigt, dass der Einsatz der Bodycam häufig an Grenzen stößt, weil diese bislang nur im öffentlichen Raum benutzt werden darf. Künftig soll es deshalb möglich sein, Bodycams auch in Wohnungen (etwa zum Schutz der Beteiligten bei emotional aufgeladenen Streitigkeiten in Fällen der häuslichen Gewalt) und in Betriebs- und Geschäftsräumen (etwa bei Verlagerung eines Streits von der Straße in eine Diskothek) einzusetzen.
Polizeiliche Maßnahmen richten sich in aller Regel an Personen, von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Das bedeutet, dass im Einzelfall grundsätzlich konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen, dass die betroffene Person ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut beeinträchtigen oder gar eine Straftat begehen wird. Allerdings gibt es auch wenige Maßnahmen, bei denen bereits der Aufenthalt an bestimmten „gefährdeten“ Örtlichkeiten polizeiliche Maßnahmen auslösen kann, wie beispielsweise Identitätsfeststellungen an Orten, an denen Personen erfahrungsgemäß Straftaten verüben oder der Prostitution nachgehen. Wer sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegt, hat jedoch in aller Regel keine polizeilichen Maßnahmen zu befürchten.
Nein. Die Polizei Baden-Württemberg setzt die rechtlichen Möglichkeiten des Polizeigesetzes ein, um Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verhindern. Zur Abwehr erheblicher Gefahren kann es im Einzelfall notwendig werden, Maßnahmen wie z.B. Observationen oder Telekommunikationsüberwachungen durchzuführen. Allerdings sind solche Maßnahmen an hohe Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft. Die rechtlichen Grenzen werden im Polizeigesetz genau geregelt. Darüber hinaus wird zu jedem Zeitpunkt ein effektiver Rechtsschutz sichergestellt. Beispielsweise muss jede Telekommunikationsüberwachung vorab von einem unabhängigen Richter geprüft und genehmigt werden.
Die Verfassung garantiert jedem Einzelnen die grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte. Eine gesetzliche Einschränkung dieser Rechte ist nur in Abwägung mit anderen gleichrangigen verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen zulässig. Bei der Frage, was die Polizei darf, wird in besonderem Maße darauf geachtet, dass die Balance zwischen den Freiheitsrechten Einzelner und der Sicherheit Aller gewahrt bleibt. Gerade bei verdeckten Polizeimaßnahmen wird der rechtliche Schutz der Bürgerinnen und Bürger durch das neue Polizeigesetz, zum Beispiel durch höhere Dokumentations-, Transparenz- und Informationsrechte sowie eine Ausweitung von Richtervorbehalten, sogar deutlich gestärkt.
Polizeiliche Überwachungsmaßnahmen setzen stets einen konkreten Anlass voraus. Dieser kann sich aus dem Verhalten einer Person ergeben oder aus äußeren Umständen wie beispielweise dem Aufenthalt an einer bestimmten Örtlichkeit, an der objektiv ein erhöhtes Risiko besteht, dass dort Straftaten begangen werden. Generell gilt hierbei: Je stärker eine polizeiliche Maßnahme in die Grundrechte einer Person eingreift, desto höher sind die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Zulässigkeit. Eine anlasslose Überwachung findet also nicht statt.
Selbstverständlich ist auch weiterhin ein Besuch von Fußballspielen, Konzerten oder anderen Großveranstaltungen möglich, ohne dass die Polizei jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer kontrolliert. Durch die neue Befugnis im Polizeigesetz soll die Polizei aber in die Lage versetzt werden, bei Großveranstaltungen, für die eine Gefahr „von außen“ besteht, einzelne Personen, zu kontrollieren. Eine solche Gefahr „von außen“ besteht zum Beispiel bei der konkreten Gefahr eines terroristischen Anschlags oder wenn von der Veranstaltung aufgrund ihrer Größe und ihres Charakters erfahrungsgemäß Gefahren ausgehen. Dadurch wird im Einzelfall die Möglichkeit geschaffen, durch gezielte Maßnahmen gegen individuell ausgewählte Personen, die Sicherheit zu erhöhen. Das heißt aber keinesfalls, dass jede Person im Umfeld einer solchen Veranstaltung mit einer Kontrolle rechnen muss. Die Polizei muss auch bei der Auswahl der Person stets den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren.
Bereits während der Erprobungsphase der Bodycam haben Polizistinnen und Polizisten die Erfahrung gemacht, dass die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf öffentlich zugängliche Orte zu eng gefasst ist. Die Grenzen zwischen einem Polizeieinsatz an öffentlich zugänglichen Orten und Arbeits-, Betriebs- oder Geschäftsräumen sind oftmals fließend. Häufig entwickeln sich beispielsweise Einsätze im Umfeld von Gaststätten, Einkaufszentren oder Diskotheken, die sich dann im weiteren Verlauf in diese hinein verlagern oder umgekehrt.
Daneben bergen Einsätze im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt in Wohnungen erfahrungsgemäß ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für unsere Polizeibeamtinnen und -beamten. Häufig findet die alarmierte Polizei bei häuslicher Gewalt Situationen vor, die von Aggression und Gewalt geprägt sind. Diese Aggression und Gewalt kann urplötzlich und ohne Vorwarnung umschwenken und sich auch gegen die eingesetzten Kräfte richten. Der Einsatz der Bodycam (wirkt deeskalierend und) und trägt in solchen Situationen zum Schutz aller Beteiligten bei.
Auch die Evaluation nach einem Jahr Bodycam im Land zeigt, dass rund 30 Prozent aller Angriffe auf unsere Polizistinnen und Polizisten in Betriebsräumen und Wohnungen stattfinden. Die Beamten müssen bisher also gerade dann die Bodycam ausschalten, wenn sie sie zu ihrem Schutz brauchen würden.
Die Polizei darf die Bodycam in einer Wohnung nur einsetzen, wenn eine dringende Gefahr für Leib oder Leben einer Person vorliegt. Außerdem ist eine Aufzeichnung, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen ist, unzulässig. Wenn sich während dem Einsatz der Bodycam in einer Wohnung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, muss die Aufzeichnung unverzüglich unterbrochen werden. Wenn Bodycam-Aufzeichnungen aus einer Wohnung später, zum Beispiel vor Gericht, verwendet werden sollen, bedarf es hierfür überdies der richterlichen Zustimmung.
Gefährderansprachen und Gefährdetenansprachen werden bislang auf die sogenannte polizeiliche Generalklausel gemäß §§ 1, 3 PolG gestützt. Es ist jedoch sinnvoll, Maßnahmen, die regelmäßig von der Polizei durchgeführt werden, als konkrete gesetzliche Eingriffsbefugnis auszugestalten. Dadurch wird für die Bürgerinnen und Bürgern erkennbar, mit welchen Maßnahmen sie in welchen Situationen und unter welchen Voraussetzungen zu rechnen haben. Dies schafft Handlungs- und Rechtssicherheit für alle Beteiligten.
Gefährderansprache heißt: Wenn aufgrund von Tatsachen anzunehmen ist, dass eine Person in absehbarer Zeit die öffentliche Sicherheit z. B. durch die Begehung einer Straftat stört, kann die Polizei eine sog. Gefährderansprache durchführen, um die betroffene Person durch das Aufzeigen möglicher Konsequenzen von der Begehung der Straftat abzuhalten. Gefährderansprachen werden beispielsweise zur Verhinderung eskalierender Konflikte im Rockermilieu, Auseinandersetzungen von Hooligans oder bei Stalkingfällen durchgeführt.
Gefährdetenansprachen: Bei möglichen Opfern von schwerwiegenden Straftaten und Personen, die unbedingt von einer drohenden Straftat wissen sollten, führt die Polizei eine sog. Gefährdetenansprache durch. Die Angesprochenen sollen über die für sie bestehenden Risiken informiert werden, so dass sie geeignete Vorkehrungsmaßnahmen treffen können und die Polizei als Ansprechpartner wahrnehmen. Die Gefährdetenansprache dient einzig und allein dem Schutz von gefährdeten Personen – zum Beispiel bei Personen im sozialen Umfeld von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern oder bei Opfern von häuslicher Gewalt.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 5. Februar 2019 eine Entscheidung zum Automatischen Kennzeichenlesesystem getroffen. Danach ist der Einsatz von Automatischen Kennzeichenlesesystemen zur Abwehr von Gefahren zulässig, muss aber im jeweiligen Polizeigesetz geregelt sein. Mit der Änderung des Polizeigesetztes können Automatische Kennzeichenlesesysteme auch in Baden-Württemberg eingesetzt werden. Das Automatische Kennzeichenlesesystem ermöglicht der Polizei einen schnellen und zuverlässigen Abgleich von Kraftfahrzeugkennzeichen mit der Liste der Fahrzeuge, nach denen aktuell gefahndet wird. Dies gilt vor allem auf Straßen mit sehr hohem Verkehrsaufkommen wie Autobahnen, die zudem für den internationalen Verkehr von Bedeutung sind und somit auch von reisenden Tätergruppierungen regelmäßig genutzt werden.
Nein. Das Automatische Kennzeichenlesesystem erfasst mit einer Kamera die Kennzeichen von Fahrzeugen. Diese Kennzeichen werden durch das System mit der Liste der Fahrzeuge, nach denen aktuell gefahndet wird, abgeglichen. Kennzeichen, nach denen nicht gefahndet wird, werden sofort nach dem Abgleich gelöscht. Ein Bewegungsprofil wird nicht erstellt. Lediglich bei einem Treffer erzeugt das Gerät einen Alarm und zeigt die erkannten Daten dem Bedienpersonal der Polizei an.
Nein. Der Ministerrat hat den Gesetzentwurf am 10. März 2020 zur Anhörung freigeben. Seitdem gab es keine Verschärfungen.
Der Ministerrat hat am Dienstag, 14. Juli 2020, der von Innenminister Thomas Strobl eingebrachten Änderung des Polizeigesetzes zugestimmt. Nun wurde das Polizeigesetz in den Landtag eingebracht.
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