Unter Federführung der Polizei Baden-Württemberg findet vom 17. bis 19. Oktober 2019 auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt die Baden-Württembergische Terrorismusabwehr Exercise (BWTEX) 2019 statt. Dabei handelt es sich um die erste gemeinsame Terrorismusabwehr-Vollübung von Landespolizei und Bundeswehr in Baden-Württemberg. Neben verschiedenen Organisationseinheiten der Polizei Baden-Württemberg und der Bundeswehr werden auch Partner aus dem Bereich des Bevölkerungsschutzes teilnehmen.
Die Redaktion der Polizei-Zeitschrift Baden-Württemberg (DPZ) hat sich vor der BWTEX 2019 mit Projektleiter Daniel De Giuli (DG) sowie Elena Schön (ES) und Luca Calvagna (LC), dem Team der Projekt-Geschäftsstelle, zum Gespräch getroffen.
Herr De Giuli, im März 2017 hat die Polizei Baden-Württemberg bereits an der gemeinsamen Terrorismusabwehr Exercise (GETEX) teilgenommen. Worin liegt der Unterschied zur BWTEX 2019?
DG: Die GETEX war die erste großangelegte gemeinsame Übung von Polizeien der Länder und des Bundes mit der Bundeswehr im Kontext von Anschlagsszenarien. Wesentliches Ziel der Übung war es, erste Erfahrungen in der Zusammenarbeit von Polizei und Bundeswehr bei der Terrorismusabwehr zu sammeln. Die damalige Übung war allerdings als reine Stabsrahmenübung angelegt.
Zwischenzeitlich sind wir auf Seiten der Bundeswehr und der Polizei Baden-Württemberg so weit, dass wir unsere Zusammenarbeit vertiefen und auch operativ üben wollen. Bei der BWTEX wird es deshalb neben der stabsmäßigen Abarbeitung einer Terrorlage auch eine Vollübung mit operativen Kräften geben. Konkret heißt das: Die Polizei Baden-Württemberg wird bei der BWTEX mehrere Übungssequenzen eines terroristischen Anschlagsszenarios durchspielen, zu dessen Bewältigung auch operative Unterstützung der Bundeswehr benötigt wird. Im weiteren Verlauf der Übung ergeben sich dann auch Einsatzanlässe für Einheiten des Bevölkerungsschutzes.
Einmal angenommen bei uns kommt es zu einem Terroranschlage: Dürften unsere Polizei und die Bundeswehr dann einfach so zusammenarbeiten? Das Grundgesetz setzt hier doch klare Grenzen?
DG: Das ist richtig! Dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren sind durch unsere Verfassung enge Grenzen gesetzt. Er ist nur da zulässig, wo das Grundgesetz ihn ausdrücklich gestattet. Möglich wäre dies beispielsweise bei einer großflächigen, lang andauernden sowie länderübergreifenden Terrorlage mit zeitgleich stattfindenden Anschlägen. Es müsste zu einer Lage kommen, welche die Polizeien der Länder und des Bundes – mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Personal und ihrer technischen Ausstattung – nicht mehr bewältigen können. In einem solchen Fall könnte dann die Unterstützung durch die Bundeswehr in Betracht gezogen werden.
Zur Vorbereitung der BWTEX 2019 wurde unter Ihrer Leitung der Projektstab eingerichtet. Was ist Ihre Aufgabe und wer unterstützt Sie dabei?
DG: Als Leiter des Projektstabes habe ich die Gesamtverantwortung für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der BWTEX 2019. Meine wichtigste Aufgabe ist es, mich fortlaufend mit allen Partnern und den Kolleginnen und Kollegen unserer sieben Teilprojekte über den aktuellen Stand der Vorbereitungen auszutauschen und erforderliche Grundsatzentscheidungen zu treffen. Unterstützt werde ich dabei insbesondere von Elena Schön und Luca Calvagna. Sie betreiben die Geschäftsstelle des Projektstabes, kümmern sich um die Gesamtkoordination der Übungsvorbereitung, -durchführung und -nachbereitung und können Ihnen Detailfragen zur BWTEX beantworten.
In Stetten am kalten Markt wird mit der BWTEX eines der größten polizeilichen Übungsvorhaben der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und die größte Übung, die die Polizei Baden-Württemberg je durchgeführt hat, stattfinden. Was erwartet uns an den drei Tagen?
ES: Am Donnerstag, dem 17. Oktober 2019, wird die BWTEX zunächst mit einer Leistungsschau, einem sogenannten static display, beginnen. Viele der an der Übung vertretenen Organisationen werden sich an diesem Tag der Öffentlichkeit präsentieren. Bürgerinnen und Bürger haben die Gelegenheit, sich Land- und Luftfahrzeuge sowie Ausstattungsgegenstände von Polizei, Bundeswehr und Bevölkerungsschutz anzuschauen und sich über die Arbeit der Beteiligten zu informieren.
Am zweiten Tag findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine Stabsrahmenübung statt. Geübt wird hier in mehreren Stäben an den Standorten Berlin, Stuttgart, Konstanz, Karlsruhe, Göppingen und Stetten am kalten Markt. Am Samstag folgt schließlich unsere Vollübung.
LC: Die Vollübung ist der eigentliche Höhepunkt der BWTEX 2019. Rund 2.000 Übungsbeteiligte werden auf Grundlage eines terroristischen Anschlagsszenarios gemeinsam den Ernstfall üben. Da die Kolleginnen und Kollegen ohne Kenntnis der Ausgangslage in die Übung gehen sollen, kann ich vorab natürlich keine Details zum Sachverhalt der Vollübung verraten. Vielleicht aber so viel: Wir werden die Fußgängerzone von Konstanz auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Heuberg in Stetten am kalten Markt abbilden und hier in vielerlei Hinsicht sehr realitätsnah üben.
Und wie genau können wir uns die Vollübung vorstellen?
ES: Bei der Vollübung wollen wir ganzheitlich „vom ersten Schuss bis in den OP“ üben. Das heißt, wir werden alle Abläufe, vom ersten Schuss der Terroristen – über die Erstintervention mit Erstkräften – die Intervention durch Spezialeinheiten – die Crash-Rettung von Verletzten – die Übergabe an die Rettungsdienste – den Weitertransport in Fachkliniken – bis hin zu simulierten Operationen in den mitübenden Kliniken, erproben. Auch die Durchführung von kriminalpolizeilichen Ermittlungsmaßnahmen ist für den Tag der Vollübung vorgesehen.
Welches Ziel verfolgen Sie mit der BWTEX?
DG: Ziel der BWTEX ist es, unsere gesamte Interventionsund Bearbeitungskette auf den Prüfstand zu stellen und dabei insbesondere ein Augenmerk auf die Schnittstellen zu unseren Partnern zu werfen. Wir wollen bei der BWTEX feststellen,
inwieweit unsere vorhandenen Einsatzkonzeptionen für terroristische Anschlagsszenarien im Detail praxistauglich sind und ob die Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Organisationen in solch kritischen Lagen tatsächlich reibungslos funktioniert. Besonderes Ziel der Übung wird es natürlich sein, die operative Zusammenarbeit mit der Bundeswehr unter der Gesamtleitung der Polizei zu üben. Gespannt sind wir zum Beispiel aber auch, wie der Bevölkerungsschutz und die mitübenden Krankenhäuser mit einer sehr großen Anzahl an Spreng- und Schussverletzungen umgehen werden.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Vorbereitung der BWTEX 2019?
LC: Eine der größten Herausforderungen in der Vorbereitung ist es, für die Abläufe auf dem Truppenübungsplatz eine organisatorische Gesamtplanung zu entwerfen. Die BWTEX ist für uns in diesem Zusammenhang vor allem auch eine logistische Herausforderung. Von der Verpflegung aller Beteiligten bis zur Betreuung zahlreicher Gäste – im Vorfeld muss bis zur VIP-Toilette an alles gedacht werden.
Zugleich arbeiten wir daran, das Übungsgelände für die BWTEX technisch zu ertüchtigen. Für die Nachbereitung wird die gesamte Übung beispielsweise mit insgesamt 11 Filmteams begleitet und mittels 25 festinstallierter Kameras dokumentiert. Da die Übung an mehreren Örtlichkeiten gleichzeitig abläuft, sollen die Aufnahmen parallel auch für die Übungsleitung und die Übungsbeobachter auf Bildschirmen übertragen werden.
ES: Dazu kommt, dass wir auch alle Vorarbeiten der sieben Teilprojekte in der Geschäftsstelle zusammenführen müssen. Denn alle Akteure im Projektstab sollen am Ende des Tages einen Überblick haben, woran die einzelnen Teilprojekte derzeit arbeiten und wie der aktuelle Stand der Übungsvorbereitungen ist. Kollege Calvagna und ich haben übrigens nicht von Beginn an die BWTEX-Geschäftsstelle betrieben und möchten uns deshalb bei unserem Kollegen Philipp Kaiser herzlich bedanken, der hervorragende Vorarbeit geleistet hat.
Das Interview ist zuvor in der Herbst-Ausgabe der Polizei-Zeitschrift Baden-Württemberg (DPZ) erschienen.